Sonntag, 29. August 2010

Kultur Kultur, ein wenig Party und ein neuer Name

Hallo Freunde,
ich will nicht unverschämt sein, aber ich bin brennend interessiert: Fangen bei euch auch die Bäume an zu blühen? Hier schon. Ich hatte erst geplant, den Baum in unserem Garten täglich zu fotografieren, um den Fortschritt bildlich festzuhalten...aber naja, bisher hab ich genau null Bilder von dem Baum gemacht. Ich und meine Kamera, wir sind schon ein tolles Paar...
In der kulturell vielfältigsten Stadt Südafrikas (vielleicht sogar ganz Afrikas) wird man natürlich täglich mit Kultur konfrontiert und darf sich ihr nicht verschließen. Und das habe ich in der letzten Woche auch nicht getan. Los ging der Spaß auf einem Theaterfestival, welches im Theater der Wits University stattfindet. Das Festival heißt "Drama for Life" und geht auf künstlerische Art und Weise mit dem Thema HIV/Aids um. Und da ich ja in der Schauspielerei ein zweites Standbein sehe, wenn es mit der Afrikanistik nicht klappt, habe ich mir auch eins der Theaterstücke angesehen, mit dem Namen "Sexcape".
(Ich hoffe niemand denkt jetzt, dass ich Schauspieler werden will. Nein, im Gegenteil, ich kenne einen jungen, motivierten Schauspieler und ich habe gute Chancen sein Manager zu werden...ansonsten würde ich nämlich alte Geschichten über ihn auspacken...)
Das Stück war jetzt kein Theaterstück im klassischen Sinne. Es war eher ein Ballett. Die 8 Schauspieler tanzten das, was sie ausdrücken wollten und nur ganz vereinzelt wurde gesprochen. Zuerst dachte ich, dass ein kleiner Tanz als Prolog ja super sei, dann, dass die doch langsam mal aufhören können mit tanzen. Aber gegen Ende des Stückes hat es mir doch ganz gut gefallen, denn die Tänzer waren wirklich extrem gut. Ich war dann auch froh, dass ich das Stück ein wenig verstanden habe. Nicht zu 100% natürlich, aber immerhin 20...
Das große Kulturprogramm ging dann am Samstag weiter. An diesem Tag habe ich soviel Aktion gehabt, wie sonst in einer Woche, deshalb jetzt eine mehr oder weniger detailierte Tagesbeschreibung.
Los ging der Spaß im berühmt berüchtigten Hillbrow. Dort holte ich meine Reiseführerin ab, die dort in einem größeren Appartementkomplex wohnt. Natürlich war ich das perfekte Beispiel für deutsche Pünktlichkeit und damit ich nicht die ganze Zeit auf der Straße rumstehe, sollte ich doch rein kommen. So bekam ich einen exklusiven Einblick, wie die Menschen in Hillbrow denn wohnen. Ich musste natürlich erst mal die Sicherheitskontrollen über mich ergehen lassen. Ich musste mich in die Besucherliste eintragen, mit Namen und Grund meines Besuche, erst dann wurde ich durch die Gittertür gelassen. Die Hausbewohner betreten und verlassen das Haus durch eine Drehtür, die sie mit ihrem Fingerabdruck betätigen. Ist man erst mal drinne, hängt unten im Treppenhaus ein Brett, wo die Hausbewohner ihre Schlüssel anhängen, so ganz unbewacht. So eng liegen Angst vor Verbrechen in dieser gefährlichen Nachbarschaft und Vertrauen in die Nachbarn beieinander.
Die Wohnung war eine Ein-Zimmerwohnung plus Bad. Und ein Zimmer bedeutet wirklich nur ein Zimmer. Es gab keine Küche, keine Kammer, kein anderes Zimmer. In dem Zimmer stand ein Kühlschrank, ein kleiner Kocher, eine Schrankwand mit TV und Stereoanlage und 2 Betten. Denn dort wohnt Cherrol, meine Reiseführerin, mit einer Freundin und deren Tochter. Während ich also wartete, wagte ich einen kleinen Streifzug durch das restliche Haus. Überall waren Wohnungen, die wahrscheinlich alle genauso groß waren. Mir kamen unzählige Gerüche von Gemüse, Huhn, Maismehl entgegen. Aus den Wohnungen dröhnten laute Fernseher, noch lautere Musik und im abgegitterten Treppenhaus spielten die Kinder. Alles sehr faszinierend.


In den Hinterhöfen Hillbrows

Dann ging die Reise los. Zuerst ging es nach Downtown, denn der feine Herr wollte unbedingt auf das Carlton Hochhaus. Dies war früher mal ein absolutes Luxushotel, stand dann aber nach dem Ende der Apartheid für eine halbe Ewigkeit leer. Mittlerweile befindet sich unten ein Einkaufszentrum und ganz oben eine Panorama-Aussichtsplattform. Die Büros, die dazwischen liegen, sind zur Hälfte genutzt und zur Hälfte verwaist. Das Carlton Gebäude ist das höchste Gebäude der Stadt und von der Plattform hat man einen ganz fantastischen Blick über ganz Joburg, jedenfalls soweit wie es die staubige Luft der Minengroßstadt zulässt.



Joburg von ohm

Die nächste Station war die Mai Mai Ceremony Pre-School. Eine Art kultureller Schule für Zulu Mädchen und Jungen. Sie liegt in der Nähe des Mai Mai Marktes. Dort kann man alle Zutaten kaufen, die man für Muthi braucht. Muthi ist Zauberei der traditionellen Doktoren der Zulus und der Hexer und Hexen. Natürlcih muss man auch wissen, was man mit den gekauften Zutaten anfängt, sonst sind sie wertlos. Ich jedenfalls hatte das große Glück einer samstäglichen Zeremonie einiger Zulu-Mädchen beiwohnen zu dürfen, da Cherrols Onkel der Leiter der Schule ist. Die Mädchen waren im Alter von 8 bis 16 Jahren, einige waren traditionell gekleidet, andere trugen Ed Hardy und co. In einem kleinem Hof standen sie im Halbkreis und sangen und klatschten. Außenherum standen die stolzen Mütter und über die Hofmauer lugten viele Schaulustige. Die Mädchen tanzten nun allein, zu zweit oder in einer Gruppe in der Mitte. Dabei ging es besonders darum die Beine möglichst hoch zu reißen und mit voller Wucht auf den Boden zu stampfen. Die meisten der Mädchen taten dies barfuß und bei einigen endete es mit blutigen Füßen. Zwischendurch wurden einzelne Mädchen immer in einen abgetrennten Raum geführt. Dort wurden sie kontrolliert, ob sie noch Jungfrauen sind. Der Tanz den die Mädchen aufführten darf nämlich nur von Jungfrauen getanzt werden. Jede kontrollierte Jungfrau wurde lautstark gefeiert und durfte erstmal eine Runde in der Mitte tanzen. Nach 2 Stunden war das Spektakel vorbei. Wir wurden die gesamte Zeit wie Ehrengäste behandelt, man brachte kalte Getränke und kleine Snacks. Ich wurde auch zu anderen Zeremonien in der näheren Zukunft eingeladen..


Der Tanz der Zulu Jungfrauen

Da ich ja hier in der Regenbogennation bin, gibt es natürlich nicht nur die traditionellen Tänze der Zulus. Unsere nächste Station war Downtown. Dort finden jeden Samstag an einer Straßenecke hinter dem Supreme Court (eine Art oberstes Gericht) traditionelle Tänze der Tswana statt. Diese waren aber eher dazu da Unterhaltung zu bieten und etwas Geld zu verdienen. Es ging ständig jemand mit einer Dose herum und sammelte kleine Spenden ein. Dafür waren die Tänze (ich gebe es zu) ein wenig spektakulärer. Die Tänzer waren alle traditionell gekleidet und spulten ihr ganzes Repertoire herunter, welches vom Publikum frenetisch gefeiert wurde. Natürlich wurden auch einzelne Zuschauer mit in die Tänze einbezogen und so kam es, dass der einzige weiße Zuschauer auf einmal von drei großen Tswana Tänzern angetanzt wurde. Da konnte dieser halt nichts machen, als ebenfalls die Hüften etwas kreisen zu lassen. Als Dank gab es den Beifall des restlichen Publikums und er wurde etwas rot...


traditioneller Tswana Tanz inmitten der Großstadt

Mittlerweile war es bereits nachmittags und da beschlossen wir spontan nach Soweto zu fahren. Cherrol kennt sich dort besonders gut aus, weil sie dort aufgewachsen ist. Soweto muss ich ja niemandem mehr vorstellen, oder doch?
Soweto liegt südwestlich von Johannesburg, gehört eigentlich noch dazu, ist aber in Wirklichkeit eine eigene Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern. Soweto steht für SOuth WEst TOwnship und wurde, im Zuge der Rassentrennung, als Siedlung für die Schwarzen von der Apartheid Regierung gegründet. Soweto ist durch vielerlei Dinge berühmt. Nelson Mandela hat dort gewohnt, Studentenaufstand von 1976 und und und.
Als erstes schauten wir uns natürlich das Wohnhaus Nelson Rolihlahla Mandelas an. Er selber sagte mal dazu, dass es nicht besonders groß war, aber es war sein erstes eigenes Haus.
Wir bekamen eine Führung einer netten älteren Dame, die uns zu jedem Stein im Garten und im Haus etwas erzählen konnte. Das Haus war wirklich nicht groß, gerade mal 2 Schlafzimmer und eine Wohnküche. Nelson Mandela hat dort mit seiner zweiten Frau Winnie und drei Kindern zusammen gewohnt. Als er im Gefängnis saß, fiel das Haus zwei Brandbombenanschlägen und mehreren Drive-by Shootings zum Opfer. Aufgetragen durch die Apartheidsregierung, um möglich Aktivisten einzuschüchtern. Das Haus liegt in der Vilkazi Street in Orlando West. Die Straße ist die einzige Straße der Welt, in der zwei Friedensnobelpreisträger gewohnt haben Nelson Mandela (1993) und Erzbischof Desmond Tutu (1985).


Prof Rastatier bekommt die Einschusslöcher am Hause Mandelas gezeigt

Danach ging es weiter zum Hector Peterson Museum. Dies ist ein Museum, welches sich mit dem Studentenaufstand von 1976 gegen das Apartheidsmuseum beschäftigt. Die Schüler und Studenten wurden zu dieser Zeit gezwungen ihren Schulunterricht auf Afrikaans abzuhalten (Bantu Education Act). Dies war aus zwei Gründen nicht ertragbar. Erstens war es natürlich die Sprache der Apartheid und somit der unmenschlichen Unterdrücker und zweitens war die Sprache den Wenigsten geläufig und somit verschlechterten sich die schulischen Leistungen enorm und damit die eh schon spärlichen Berufsaussichten. Stellt euch doch einmal vor, von einem Tag auf den anderen werden alle Schulfächer und Universitätskurse auf Zulu gehalten... Dagegen wollten die Studenten in Soweto demonstrieren. Niemand hat wohl damit gerechnet, dass der Tag so blutig enden würde. Aber plötzlich ertönten Schüsse von den Polizisten und der junge Student Hector Peterson starb. Ihm ist der Platz und das Museum über dem Aufstand gewidmet.
Nach dem ersten Toten eskalierte die Situation natürlich. Studenten bewaffneten sich mit Steinen und Stöcken und traten an gegen die schwerbewaffneten Polizisten. Unzählige junger Studenten ließen dabei ihr Leben. Viele andere Townships in ganz Joburg und im ganzen Land solidarisierten sich und gingen auch auf die Straße und auch die weißen Studenten der Wits University protestierten: "It's not about the language, it's about the system." stand auf ihren Plakaten. Ein klitzekleines Bißchen erinnert mich die Geschichte um Hector Peterson an Benno Ohnesorg, auch wenn man die Hintergründe eigentlich nicht vergleichen kann/darf.


Das berühmteste Bild des Studentenaufstandes von 1976: Ein Mann (Name ist mir grad entfallen) trägt den toten Hector Peterson davon

Dann war unser kultureller Abschnitt des Tages beendet und weil wir schon mal da waren, wollte Cherrol doch ihre Familie besuchen. Wir fuhren also zu einem dieser typischen Backsteinhäuser. Dort leben Großmutter, Tante, Cousins mit Frauen und Kindern. Wir wurden höflich heringebeten und es began eine muntere Diskussion über meine Haare (die Tante wollte mir partout nicht glauben, dass es keine Extensions sind) und natürlich die WM. Dort bekam ich auch meinen neuen Namen. Zwischendurch verließ die Tante uns nämlich kurz, um im Center auf der anderen Straßenseite eine Partie Chinese Gambling zu spielen (ich glaube das ist Bingo). Dort setzte sich auf eine vertikale Reihe und gewann prompt. Da sie vergessen hat wie ich heiße und da solch eine Reihe in dem Spiel King heißt, beschloß sie, dass ich von nun an nur noch KING bin. Ich sag mal so, sicherlich kein schlechter Name, gerade für Soweto...
Später ging es noch zu einigen Freunden Cherrols. Es war mittlerweile dunkel, doch Soweto schien gerade erst aufzustehen. Millionen Menschen auf den Straßen. Die Bars voll. Von überall laute Musik. Lachen, Tratschen, Leben, Liebe. Ein wenig erinnerte mich die Atmosphäre an die Straßen Lilongwes an einem Freitag Abend...

Für all die Kluturbanausen. Ich war natürlich nicht nur intelligent unterwegs. Nein, ich habe auch die vermutlich geilste Party meines bisherigen Lebens erlebt (ich klammere mal den KDK aus, denn der steht außer Konkurrenz). Eine Reggae/Dancehall Party im Bassline. Der Club liegt in Newtown, dem Stadtteil, was gerade kulturell hergerichtet wird. Und der Club sah aus wie eine Mischung aus Theater (lauter Sitzränge) und riesiger Tanzfläche. Es waren bestimmt über tausend Leute da, die jeden Tune extrem gefeiert haben. Unter den ganzen Leuten waren genau drei Weiße: ein Spanier, ich und der DJ, der aussah wie eine Mischung aus Barney und David Rodigan und die Leute zum Kochen gebracht hat.
Es gab die Dancers auf der Bühne, eine kurze open mic session, und bei jedem Mavado, der gespielt wurde sind die Leute komplett ausgerastet. Der Oberhammer. Da habe ich es auch in Kauf genommen, dass ich am folgenden Tag etwas müde in der Uni war. Meine Kleenen haben das natürlich sofort gemerkt und mich damit aufgezogen, aber im Endeffekt fanden sie es doch ziemlich cool...und ich werd wieder hingehen.

Aber nicht in der kommenden Woche, denn morgen steige ich ins Flugzeug und ab geht die wilde Fahrt auf nach Kapstadt. 5 Tage Urlaub an Afrikas Südspitze.
Der Generalstreik des Landes hält ja immernoch an und immer weitere Gewerkschaften solidarisieren sich mit den Streikenden und machen mit. Noch sind die Flughäfen davon nicht betroffen, also hin komm ich auf jeden fall, nur zurück....

ihr und ich, wir werden sehen

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