Sonntag, 15. August 2010

Party, Korruption und etwas Geschichte

Nachdem die Anti-Fußballer etwas gelangweilt waren vom letzten Blogeintrag, versuche ich dies nun durch eine detaillierte Clubbeschreibung wieder gut zu machen. Freitag war es nämlich soweit und ich bin nach drei Wochen Südafrika zum ersten Mal tanzen gegangen. Der Club heißt Tandoo und liegt in Yeoville. Eine Gegend, ich gebe es zu, wo ich alleine nachts nicht hingegangen wäre. Aber ich hatte ortskundige Begleitung und war somit nicht verloren. Der Club lag in einer ziemlich belebten Straße, dort gab es noch andere Clubs, ein Striplokal, ein paar Kioske und ein paar Spelunken. Um ins Tandoo zu kommen, musste man erst einen dunklen Gang entlang laufen, in dem die Securitys nach Waffen gesucht haben, und dann eine Treppe hoch, denn der Club befindet sich Open Air auf dem Dach eines Hauses. Dort befanden sich eine Bar, ein paar Billiardtische, ein paar Stühle, das DJ-Häuschen und natürlich ein kleines Feuer. Das Tandoo ist täglich geöffntet und ein reiner Reggae/Dancehall-Schuppen. Es hat mich ein bißchen ans YAAM erinnert. Das Publikum bestand zu 70% aus Männern, davon wiederum 70% Rastas und einem Weißen (mir). Die Atmosphäre war super und ich wurde ständig nett gegrüßt und in Small Talk verwickelt. Meine Begleitung war schon fast sauer, dass nur ich gegrüßt werde…Die Musik war auch sehr nett. Zu Beginn wurde die Reggaeschiene gefahren und die Tanzfläche war voller Rastas, dann ging der Selectah zu Dancehall über und die Player übernahmen das Tanzen. Mixtechnisch war es ziemlich grottenschlecht, aber das hat der Stimmung keinen Abbruch getan und so wurde JEDES Lied mindestens dreimal zurückgezogen. Der Selectah schien auch ein großer Mavado-Fan gewesen zu sein und spielte alle seine Hits, sodass ich lautstark mitgrölen konnte: „Geld verändert uns nicht, wir wechseln Geld. Und wenn du uns anmachst sind wir gefährlich.“. Die Leute in unmittelbarer Nähe wunderten sich zwar, dass ich auf Deutsch mitgröle, ich musste aber trotzdem in mich hinein kichern…
Gegen zwei Uhr war es dann abrupt vorbei mit der Party. Der Clubeigentümer, ein älterer Rasta, rannte wie von der Hornisse gestochen zum Mischpult, riss die Regler runter und rief nur: „Police, Police“. Und tatsächlich standen drei Polizeiwagen mit Blaulicht vor dem Eingang und mehrere Polizisten dazu, entweder auf der Jagd nach dem süßlichen Geruch, der vom Clubdach auf die Straße weht, oder einer anderen Möglichkeit das Gehalt etwas aufzupeppen. Die Tanzfläche war auch auf einmal leer und 2/3 der Gäste waren verschwunden, wobei niemand den Club durch den Vordereingang verließ. Nach einer halben Stunde verschwanden die Polizisten wieder so schnell wie sie gekommen waren, aber die Stimmung der Party war hinüber. Also gingen wir auch nach Hause. Ich brachte meine Begleitung nach Hause und wollte dann gemütlich nach Hause cruisen. Da passierte es…

Ich passierte gerade die Polizeistation Hillbrow, hielt an einer Ampel, es wurde grün, ich fuhr los und schwupps steht da ein Polizist auf der Straße und leuchtete mich raus. Ich hab ja schon unzählige Geschichten über die südafrikanische Polizei gehört, jetzt durft ich sie auch mal live erleben. Der Cop wollte Führerschein und beglaubigte Übersetzung des Führerscheins sehen, die ich glücklicherweise vorher mit eingepackt hatte. Dann ging er mehrere Runde ums Auto und suchte was auch immer. Als er nichts fand, fragte er also wo ich grad herkomme und wo ich hin will und ob ich was getrunken hätte. Da ich zwei Bier, verteilt über den ganzen Abend, getrunken hatte, sagte ich: Ein Bier. Enttäuscht rief der erste Cop einen Kollegen herbei mit der Ankündigung, einen Alkoholtestes zu machen. Ich glaube aber, die hatten noch nicht mal n Tester dabei. So standen aber nun zwei riesige Cops vor mir, mit schelmischen Grinsen. Sie erklärten mir, dass man mit einem Bier schon durchaus über der Promillegrenze liegt und wenn dies der Fall wäre müsse ich auf die Hillbrow Policestation und das wäre es nicht grade gemütlich. Ich wusste natürlich, dass dies nicht stimmte. Aber ich hatte nicht mal einen Pass mit Visa dabei und wusste, dass ich nicht ohne Geld weiterfahren kann. Ich hab kurz überlegt, ob ich es drauf ankommen lasse, aber hab mich dann dagegen entschieden. Ich wollt lieber nicht provozieren, dass die sich sonst was ausdenken. Also hab ich die „Oh, Mr.Officier, I’m so sorry“-Schiene abgespult und hatte glücklicherweise noch 50Rand dabei, die ich nach gefühlten eintausend Sorrys aus dem Fenster hielt. Der eine Cop rief nur ganz panisch: „Nimm den Arm wieder rein.“ Nicht mal bestechen kann ich richtig… Er gab mir also meinen Führerschein wieder und nahm sich dabei den Schein, schaute ihn sich an und befand wohl, dass es reichte. Er wünschte mir einen schönen Abend und ich konnte ungehindert, aber voller Adrenalin, nach Hause fahren…Aber ich habe mir bestätigen lassen, dass es so nun mal abläuft. In der kriminellsten Stadt der Welt stehen die Cops (natürlich nicht alle) ganz weit oben auf der Kriminalitätsleiter…

Da ich ja natürlich nicht zum Vergnügen hier bin, sondern um etwas Anständiges zu lernen, hab ich am heutigen Sonntag einen Ausflug zum Apartheidsmuseum gemacht. Ich habe vorher schon gelesen, dass dies ein beeindruckendes Museum sein soll, aber es war sogar sehr beeindruckend. Das Museum ist ziemlich groß und erinnert mich irgendwie an das Jüdische Museum in Berlin, zum einen wegen der Architektur (obwohl es flach ist) und zum anderen, weil dort jeweils die extrem negativen Aspekte der jeweiligen Landesgeschichte verarbeitet werden. Schon der Eingang hat mir gut gefallen. Anhand der Eintrittskarte wurde man als White oder Non-White klassifiziert und musste den jeweiligen Eingang nehmen und die ersten paar Meter des Museums waren beide Bereiche getrennt voneinander.


Museumseingang

Das Museum bestand aus sehr vielen Fotos, Texten, Originaldokumenten und Gegenständen (von Fahnen über Waffen bis zu einem Polizeipanzer). Überall waren kleine und größere Fernseher aufgestellt, wo Originalfilmmaterial, Propagandafilme der Apartheidsregierung, Interviews und und und gezeigt wurden.

Ich finde, dass hier ein kurzer Umriss der Geschichte Südafrikas im 20ten Jahrhundert fällig ist:
Nach Beendigung der englisch-burischen Kriege Ende des 19ten Jahrhunderts, bei denen die Engländer von der schwarzen Bevölkerung, mit Aussicht auf mehr Freiheit, unterstützt wurden, vereinigten sich burische (Traansvaal und Orange Free State) und englische (Natal und Kap-) Provinzen 1910 zur südafrikanischen Union. In deren Verfassung stand bereits, dass die weiße Bevölkerung bevorzugt werden sollte. Nach mehreren Streiks besonders in der Minenstadt Johannesburg durch arme Weiße und Schwarze besann man sich darauf, eine Politik der Segregation (Trennung) zu betrieben, die man damit begründete, dass die armen Weißen, die mit Schwarzen zusammenleben keinen guten Umgang haben und durch jene zur Unruhe angestiftet wurden. Die Gründerväter dieser Politik waren Jan Smuts und Barry Hertzog, noch heute sind hier große Straßen und Häuser nach den Beiden benannt. 1912 gründete sich dann der South African Native National Congress, der später zum ANC wurde. Da gerade junge Afrikaner nicht mit allen Entscheidungen des ANCs zufrieden waren, gründeten drei Hitzköpfe die ANC Youth League, die auch heute noch große Macht hat. Die Namen der Hitzköpfe Oliver Tambo, Walter Sisulu und Nelson Mandela. Es wurden Streiks (gerade bei Minenarbeitern) organisiert und gegen die Benachteiligung durch die weiße Minderheitsregierung protestiert. Nach dem zweiten Weltkrieg, genauer im Jahr 1948, gewann dann die National Party die natürlich rein weißen Wahlen und ihr Vorsitzender Pfarrer Malan führte offiziell die Apartheid ein. Es wurden unzählige Gesetze erlassen, die Schwarze, Coloureds und Asians immer weiter benachteiligten. Geführt durch den ANC gab es unzählige friedliche Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie Protestmärsche, Streiks, Boykotte und die öffentliche Passverbrennungen (angeführt von Nelson Mandela). Doch nachdem ein weißer Farmer auf den größten Architekten der Apartheid Hendrik Verwoerd (studiert in Nazi-Deutschland) verübte, welcher schief ging, spitze sich die eh schon angespannte Lage immer weiter zu und es gab immer mehr Gewalt zwischen beiden Seiten. 1947 erklärte Mandela dann (mittlerweile Generalsekretär des ANC), dass der friedliche Widerstand nicht mehr ausreichte und so gründete sich der „Speer der Nation“ (UmkhontoW sizwe (MK), bewaffneter Arm des ANC). Es folgten mehrere Sabotage-Akte und auch vereinzelte Terroranschläge, doch im Grunde galt: Sachschaden um Investoren abzuschrecken JA, Personenschaden Nein. 1962 wurde Mandela dann als Chauffeur getarnt verhaftet und 1964 zu lebenslanger Haft im Zuge des Rivona-Prozesses verhaftet. Kurz zuvor wurde das Versteck des MK gestürmt, mehrere Führer verhaftet und Mandela als Nummer eins ausgemacht. Er kam, wie so viele andere auf die Gefängnisinsel Robben Island. Währenddessen gingen die Proteste weiter, wie mit dem Studentenaufstand von Soweto im Jahr 1976 oder den harten 80er, als der damalige Präsident Botha den Ausnahmezustand über Südafrika verhängte, was den Polizisten noch mehr Macht und Gewalt einräumte. Erst der 1989 gewählte Präsident FW de Klerk sah ein, dass es so nicht weitergehen konnte. Er erlaubte vorher verbotene Parteien (ANC, Pan African Congress, Kommunistische Partei,…) wieder und ließ alle politischen Häftlinge. So auch Nelson Mandela am 11.2.1990. Die kommenden vier Jahre wurde dann eine neue Verfassung der Gleichberechtigung ausgehandelt. Aber gerade in diesen Jahren gab es viele Gewaltakte von Parteien wie der Inkatha (Partei der Zulus) oder dem AWB (eine NPD gleiche Partei, auch heute noch aktiv), welche die ersten freien Wahlen unbedingt verhindern wollten. 1993 bekamen FW de Klerk und Mandela den Friedensnobelpreis und am 27.4.1994 hieß es zum allerersten Mal in der Geschichte Südafrikas „One man (Frauen natürlich auch) one vote“ und der ANC gewann die Wahl mit 73%. Mandela wurde Präsident Südafrikas und Thabo Mbeki und FW de Klerk Vizepräsidenten. Das war eine Kurzzusammenfassung der Geschichte, die selbstverständlich viel viel umfassender ist und in der eigentlich viel mehr Personen eine tragende Rolle spielen. Besonders erstaunlic fand ich die doch ziemlich große Anzahl von Apartheidsgegnern und Soldaritäten mit dem ANC, etc aus der weißen Bevölkerung (besonders Studenten und Frauen), die ebenfalls verfolgt wurden, wie schwarze Aktivisten. Auch gab es selbstverständlich extrem viele schwarze Informer, die für das Regime arbeiteten.

Die 7 Säulen der neuen Verfassung Südafrikas: Freedom (Freiheit), Equality (Gleichheit), Responsibility (Verantwortlichkeit), Democracy (Demokratie), Diversity (Diversität), Respect und Reconciliation (Versöhnung)

Insgesamt war das gesamte Museum sehr düster gehalten und zum Teil war es extrem schockierend. Deswegen gibt es einen kleinen Park am Ausgang. In dem soll man einen Spaziergang machen, um das Gesehene zu verarbeiten, und dann kann man gehen…frei

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