Dienstag, 10. August 2010

Sturmfrei in Joburg

Zwei Wochen bin ich nun schon in Südafrika. Es kommt mir gar nicht so vor. Die Zeit vergeht hier immens schnell.
Letzte Woche wurde ich ja bereits von meiner Praktikumsmutter Frau Baker alleine gelassen und seit letztem Mittwoch hatte ich dazu auch noch sturmfrei zuhause. Matthias ist bereits am Montag hier ausgezogen und zurück nach Deutschland geflogen und am Mittwoch ist Ralf zu einer Dienst-/Urlaubsreise in den Norden Südafrikas aufgebrochen. Auch viele Leute, die ich hier bereits kennen gelernt habe, haben das vergangene Wochenende für eine Kurzreise genutzt, denn der Montag war ein Feiertag (Woman's Day). Ab heute ist nun wieder alles beim Alten. Frau Baker ist wieder uín der Uni und Ralf wieder zuhause. Naja fast alles ist wieder beim alten, denn heute gab es einen großen Streik der Lehrer und anderer Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Die Streikkultur ist in Südafrika ja sehr verbreitet und beliebt. Ein Streik wird hier nicht ein Streik genannt, wenn nicht mindestens 50.000Leute teilnehmen. Dementsprechend lahm iegt in der Streikzeit das Land. Auch habe ich mir sagen lassen, dass die Streikenden eine sehr kompromisslose Verhandlungsstrategie haben. Hier mal ein Auszug:
Streikende: "Wir wollen 8.5% mehr Lohn!"
Arbeitgeber: "Das ist zu viel. Wir bieten euch 6.5%!"
Streikende: "Wir wollen 8.5% mehr Lohn!"
Arbeitgeber: "Das ist zu viel. Wir bieten euch 7%!"
Streikende: "Wir wollen 8.5% mehr Lohn!"
Arbeitgeber: "Das ist zu viel. Wir bieten euch 7.5%!"
...
Streikende: "Wir wollen 8.5% mehr Lohn!"
Arbeitgeber: "Na gut!"
das sagt die Taz dazu

Ich hatte ja teilweise das Gefühl, das auch meine Studenten streiken. Am Dienstag haben sie eine Klausur geschrieben. Zum ersten Mal waren alle Studenten dafür anwesend. Aber ich musste ja nicht viel mit ihnen machen. Nur aufpassen, dass niemand abschreibt oder sonstwie schummelt. Ganz souveräne Aufgabe für mich. Mittwoch, zur Übungsstunde, kam genau ein Student und der kam auch noch 10Minuten zu spät. Ich war schon ganz verzweifelt. Ich habe mich stundenlang auf die Stunde vorbereitet. Alles sollte nach Plan laufen und dann kommt niemand. Ich dachte erst ich bin am falschen Tag zur falschen Zeit im falschen Raum, aber immerhin kam ja dann doch ein Student, der aber dafür seine Arbeitsblätter nicht dabei hatte...da hieß es dann improvisieren und wir haben eine Landeskundestunde gemacht. Er hatte tausend Fragen über Deutschland, die ich ihm so gut es ging beantwortete.

Zu unsere Lektürestunde am Freitag, zu der diesmal der Lehrer 10Minuten zu spät kam, da er sich diesmal an der Zeit geirrt hat, waren dann wieder mehrere Studenten anwesend. Ich erwähnte, dass ich ein wenig enttäuscht war über die mittwochliche Anwesenheit. Natürlich entschuldigten sich alle und gelobten Besserheit. Aber was soll ich sagen, hier gibt es halt keine Anwesenheitspflicht. Die Hälfte des Kurses lernt Deutsch nur, weil sie müssen und alle haben nebenbei ein Fulltime Studium und/oder Job. Da kann man ja nicht jedes Mal kommen. Aber das ist nur eine kleine Herausforderung, die ich meistern werde.
Da ich ja nur 6Wochenstunden habe, die ich mir nun auch noch mit Frau Baker teile, da sie ja auch nicht mehr zu tun hat, bin ich ja gerne bereit meinen Studenten Nachhilfe zu geben. Mein besonderer Fall heißt Travis. Travis studiert fulltime und macht nebenbei ein Praktikum an einer Schule. Das bedeutet, dass er nur einmal wöchentlich zum Unterricht kommen kann. Mit ihm traf ich mich also samstags in einer Bar und dachte ursprünglich an einen lockeren Tag mit einem Drink und etwas Nachhilfe. Doch es entpuppte sich als knüppelharter 5Stunden Unterricht. Travis lernt sehr langsam, was er auch offen zugibt und stellt dafür aber viele Fragen (er ist im normalen Leben Psychologiestudent...noch Fragen). Jedes Mal, wenn ich dachte, jetzt hat er es, ging es wieder von vorne los. Wir haben also die gesamte Zeit damit verbracht Nominativ, Prädikat, Dativ und Akkusativ in einfachen Sätzen zu bestimmen. Er ist nämlich großer Anhänger von grammatikalichen Regeln, was mit der Lehrmethode, die in der Uni angewandt wird (Grammatik erlernen durch Reden, Schreiben, Lesen) nicht ganz so vereinbar ist. Mir wurde ja vorher gesagt, dass ich geduldig sein soll. Ich habe es auch probiert, aber nach 5h musste ich mir doch eine Ausrede einfallen lassen, um zu fliehen. Naja, heute hatten wir unseren zweiten Nachhilfeunterricht. Drei Stunden Nominativ, Dativ, Akkusativ bestimmen...ich werd bestimmt davon träumen. Aber er meinte zum Ende, dass er nun alles verstanden hat. (Leider hängt er jetzt schon wochenlang hinter den anderen...) Und zur Belohnungzeigt er mit Stadt und Bars.

Das gesamte Wochenende haben Stingy und ich dann die Stadt unsicher gemacht, haben uns Sehenswürdigkeiten und Ähnliches angeschaut. So waren wir zum Beispiel in Sandton City, ein riesiges Shoppingcenter, gegen dies das Alexa mickrig wirkt. Dort fand man wirklich alles: Armani Store neben Gucci neben Prada neben... und alle haten Winterschlußverkauf. Da hab ich direkt zugeschlagen und mir 2 Zeitungen gekauft...den Rest konnte ich mir nicht leisten. Dafür hab ich ein kleines Kaffeechen auf dem angrnzenden Nelson Mandela Square trinken können. Dazu Zeitungen lesen in der südafrikanischen Wintersonne...

Madiba Statue auf dem Nelson Mandela Square mit Sandton Tower

Sandton ist das reichste Viertel in Joburg und gilt sogar als wohlhabenster Quadratkilometer (dabei ist Sandton 1,6qkm groß) Afrikas. Nach dem Ende der Apartheit war die Innenstadt Joburgs nicht mehr nur den Weißen vorbehalten und so strömten viele Afrikaner in die Innenstadt. Die reichen, weißen Minenbosse und sonstige Geschäftsmänner verliessen die Innenstadt und sind nach Sandton umgesiedelt. Die Innenstadt erlebte daraufhin eine Dekade der Verwahrlosung und somit Anstieg der Kriminalität. Noch heute sind viele Bürohochhäuser in der Innenstadt verlassen, auch wenn es seit einigen Jahren Innitiativen gibt die Innenstadt kulturell und wirtschaftlich zurückzugewinnen. Trotzdem warnen viele (eigentlich kann man sagen: alle)davor bei Dunkelheit durch Viertel wie Hillbrow, Berea oder Yeoville zu gehen/fahren. Auch ist nicht zu verachten, dass Sandton direkt an Alexandra grenzt, einem riesigen Township und fast der ärmste Quadratkilometer in Südafrika. So eng und so krass sind die Gegensätze in Südafrika

Skyline von Downtown Joburg (links mit Hillbrow Tower)

Gerade Hillbrow, wo der Johannesburger Fernsehturm steht, welcher natürlich aufgrund der Sicherheitslage nicht zugänglich ist, ist berüchtigt. Sieht man doch dort und auch sonst in der Stadt Menschen mit Cappies und Shirts mit der Aufschrift:"Badboys Hillbrow". Was aber wie ein Gangname scheint, ist der Name einer Sicherheitsfirma, die Kriminalität in Hillbrow bekämpfen. Die Art und Weise, wie sie dies tun, ist ...naja...Aber mit der Sicherheit kann man hier gutes Geld verdienen, es geht los bei Elektrozäunen, Alarmanlagen, Sicherheitsteams...nicht umsonst ist der eine oder andere Minister gleichzeitig Boss eines Sicherheitunternehmens...Wie, glaub ich schon mal erwähnt. Sicherheit und Fußball sind die Lieblingsthemen vieler Südafrikaner.
Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt. Morgen darf ich ein wenig WM-Afterparty Luft schnuppern. Da geht es zum Freundschaftsspiel Südafrika vs Ghana nach Soccer City, dieses Stadium heißt eigentlich National Stadium und wurde nur zur Wm so genannt. Da freu ich mich drauf, auch wenn es morgen noch einmal den letzten richtigen Wintertag geben soll mit 15Grad tagsüber und 0 bis 1Grad nachts...

Und nun zu einer Beobachtung, die ich für sehr nennenswert halte. In einer Stadt, in der es unzählige Autos gibt und jeder überall mit dem Auto hinfährt (besonders auch auf kurzen Strecken und ich bezweifle stark, dass die Kurze-Strecken-Auto-Fahren ist viel umweltfreundlicher als lange Strecken fahren Theorie hier so fruchtet (du hiermit angesprochene Person, weiß schon, dass ich sie meine)), gibt es natürlich sehr viel Verkehr und sehr viele Unfälle. Und natürlich fallen auch gerne mal die Ampeln aus. Trotzdem ist man auch an riesigen und überfüllten Straßenkreuzungen ohne funktionierende Ampel schnell wieder weg, denn hier fährt jeweils abwechselnd eine Reihe von jeder Seite. Sehr gerecht und schwupps ist man über die Ampel. Man muss es nur wissen und darf natürlich nicht glauben, dass man Vorfahrt hat, weil man ja auf ner Vorfahrtsstraße ist...übrigens funktioniert das gleiche System auch an kleineren Kreuzungen und Kreisverkehren. Rechts vor links oder solche Späße gibt es nicht...

Gut, dann bleib ich halt wachsam. Bis demnächst:
Sharp (das ist hier die Kurzform von "alles ist cool")

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