Sonntag, 29. August 2010

Kultur Kultur, ein wenig Party und ein neuer Name

Hallo Freunde,
ich will nicht unverschämt sein, aber ich bin brennend interessiert: Fangen bei euch auch die Bäume an zu blühen? Hier schon. Ich hatte erst geplant, den Baum in unserem Garten täglich zu fotografieren, um den Fortschritt bildlich festzuhalten...aber naja, bisher hab ich genau null Bilder von dem Baum gemacht. Ich und meine Kamera, wir sind schon ein tolles Paar...
In der kulturell vielfältigsten Stadt Südafrikas (vielleicht sogar ganz Afrikas) wird man natürlich täglich mit Kultur konfrontiert und darf sich ihr nicht verschließen. Und das habe ich in der letzten Woche auch nicht getan. Los ging der Spaß auf einem Theaterfestival, welches im Theater der Wits University stattfindet. Das Festival heißt "Drama for Life" und geht auf künstlerische Art und Weise mit dem Thema HIV/Aids um. Und da ich ja in der Schauspielerei ein zweites Standbein sehe, wenn es mit der Afrikanistik nicht klappt, habe ich mir auch eins der Theaterstücke angesehen, mit dem Namen "Sexcape".
(Ich hoffe niemand denkt jetzt, dass ich Schauspieler werden will. Nein, im Gegenteil, ich kenne einen jungen, motivierten Schauspieler und ich habe gute Chancen sein Manager zu werden...ansonsten würde ich nämlich alte Geschichten über ihn auspacken...)
Das Stück war jetzt kein Theaterstück im klassischen Sinne. Es war eher ein Ballett. Die 8 Schauspieler tanzten das, was sie ausdrücken wollten und nur ganz vereinzelt wurde gesprochen. Zuerst dachte ich, dass ein kleiner Tanz als Prolog ja super sei, dann, dass die doch langsam mal aufhören können mit tanzen. Aber gegen Ende des Stückes hat es mir doch ganz gut gefallen, denn die Tänzer waren wirklich extrem gut. Ich war dann auch froh, dass ich das Stück ein wenig verstanden habe. Nicht zu 100% natürlich, aber immerhin 20...
Das große Kulturprogramm ging dann am Samstag weiter. An diesem Tag habe ich soviel Aktion gehabt, wie sonst in einer Woche, deshalb jetzt eine mehr oder weniger detailierte Tagesbeschreibung.
Los ging der Spaß im berühmt berüchtigten Hillbrow. Dort holte ich meine Reiseführerin ab, die dort in einem größeren Appartementkomplex wohnt. Natürlich war ich das perfekte Beispiel für deutsche Pünktlichkeit und damit ich nicht die ganze Zeit auf der Straße rumstehe, sollte ich doch rein kommen. So bekam ich einen exklusiven Einblick, wie die Menschen in Hillbrow denn wohnen. Ich musste natürlich erst mal die Sicherheitskontrollen über mich ergehen lassen. Ich musste mich in die Besucherliste eintragen, mit Namen und Grund meines Besuche, erst dann wurde ich durch die Gittertür gelassen. Die Hausbewohner betreten und verlassen das Haus durch eine Drehtür, die sie mit ihrem Fingerabdruck betätigen. Ist man erst mal drinne, hängt unten im Treppenhaus ein Brett, wo die Hausbewohner ihre Schlüssel anhängen, so ganz unbewacht. So eng liegen Angst vor Verbrechen in dieser gefährlichen Nachbarschaft und Vertrauen in die Nachbarn beieinander.
Die Wohnung war eine Ein-Zimmerwohnung plus Bad. Und ein Zimmer bedeutet wirklich nur ein Zimmer. Es gab keine Küche, keine Kammer, kein anderes Zimmer. In dem Zimmer stand ein Kühlschrank, ein kleiner Kocher, eine Schrankwand mit TV und Stereoanlage und 2 Betten. Denn dort wohnt Cherrol, meine Reiseführerin, mit einer Freundin und deren Tochter. Während ich also wartete, wagte ich einen kleinen Streifzug durch das restliche Haus. Überall waren Wohnungen, die wahrscheinlich alle genauso groß waren. Mir kamen unzählige Gerüche von Gemüse, Huhn, Maismehl entgegen. Aus den Wohnungen dröhnten laute Fernseher, noch lautere Musik und im abgegitterten Treppenhaus spielten die Kinder. Alles sehr faszinierend.


In den Hinterhöfen Hillbrows

Dann ging die Reise los. Zuerst ging es nach Downtown, denn der feine Herr wollte unbedingt auf das Carlton Hochhaus. Dies war früher mal ein absolutes Luxushotel, stand dann aber nach dem Ende der Apartheid für eine halbe Ewigkeit leer. Mittlerweile befindet sich unten ein Einkaufszentrum und ganz oben eine Panorama-Aussichtsplattform. Die Büros, die dazwischen liegen, sind zur Hälfte genutzt und zur Hälfte verwaist. Das Carlton Gebäude ist das höchste Gebäude der Stadt und von der Plattform hat man einen ganz fantastischen Blick über ganz Joburg, jedenfalls soweit wie es die staubige Luft der Minengroßstadt zulässt.



Joburg von ohm

Die nächste Station war die Mai Mai Ceremony Pre-School. Eine Art kultureller Schule für Zulu Mädchen und Jungen. Sie liegt in der Nähe des Mai Mai Marktes. Dort kann man alle Zutaten kaufen, die man für Muthi braucht. Muthi ist Zauberei der traditionellen Doktoren der Zulus und der Hexer und Hexen. Natürlcih muss man auch wissen, was man mit den gekauften Zutaten anfängt, sonst sind sie wertlos. Ich jedenfalls hatte das große Glück einer samstäglichen Zeremonie einiger Zulu-Mädchen beiwohnen zu dürfen, da Cherrols Onkel der Leiter der Schule ist. Die Mädchen waren im Alter von 8 bis 16 Jahren, einige waren traditionell gekleidet, andere trugen Ed Hardy und co. In einem kleinem Hof standen sie im Halbkreis und sangen und klatschten. Außenherum standen die stolzen Mütter und über die Hofmauer lugten viele Schaulustige. Die Mädchen tanzten nun allein, zu zweit oder in einer Gruppe in der Mitte. Dabei ging es besonders darum die Beine möglichst hoch zu reißen und mit voller Wucht auf den Boden zu stampfen. Die meisten der Mädchen taten dies barfuß und bei einigen endete es mit blutigen Füßen. Zwischendurch wurden einzelne Mädchen immer in einen abgetrennten Raum geführt. Dort wurden sie kontrolliert, ob sie noch Jungfrauen sind. Der Tanz den die Mädchen aufführten darf nämlich nur von Jungfrauen getanzt werden. Jede kontrollierte Jungfrau wurde lautstark gefeiert und durfte erstmal eine Runde in der Mitte tanzen. Nach 2 Stunden war das Spektakel vorbei. Wir wurden die gesamte Zeit wie Ehrengäste behandelt, man brachte kalte Getränke und kleine Snacks. Ich wurde auch zu anderen Zeremonien in der näheren Zukunft eingeladen..


Der Tanz der Zulu Jungfrauen

Da ich ja hier in der Regenbogennation bin, gibt es natürlich nicht nur die traditionellen Tänze der Zulus. Unsere nächste Station war Downtown. Dort finden jeden Samstag an einer Straßenecke hinter dem Supreme Court (eine Art oberstes Gericht) traditionelle Tänze der Tswana statt. Diese waren aber eher dazu da Unterhaltung zu bieten und etwas Geld zu verdienen. Es ging ständig jemand mit einer Dose herum und sammelte kleine Spenden ein. Dafür waren die Tänze (ich gebe es zu) ein wenig spektakulärer. Die Tänzer waren alle traditionell gekleidet und spulten ihr ganzes Repertoire herunter, welches vom Publikum frenetisch gefeiert wurde. Natürlich wurden auch einzelne Zuschauer mit in die Tänze einbezogen und so kam es, dass der einzige weiße Zuschauer auf einmal von drei großen Tswana Tänzern angetanzt wurde. Da konnte dieser halt nichts machen, als ebenfalls die Hüften etwas kreisen zu lassen. Als Dank gab es den Beifall des restlichen Publikums und er wurde etwas rot...


traditioneller Tswana Tanz inmitten der Großstadt

Mittlerweile war es bereits nachmittags und da beschlossen wir spontan nach Soweto zu fahren. Cherrol kennt sich dort besonders gut aus, weil sie dort aufgewachsen ist. Soweto muss ich ja niemandem mehr vorstellen, oder doch?
Soweto liegt südwestlich von Johannesburg, gehört eigentlich noch dazu, ist aber in Wirklichkeit eine eigene Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern. Soweto steht für SOuth WEst TOwnship und wurde, im Zuge der Rassentrennung, als Siedlung für die Schwarzen von der Apartheid Regierung gegründet. Soweto ist durch vielerlei Dinge berühmt. Nelson Mandela hat dort gewohnt, Studentenaufstand von 1976 und und und.
Als erstes schauten wir uns natürlich das Wohnhaus Nelson Rolihlahla Mandelas an. Er selber sagte mal dazu, dass es nicht besonders groß war, aber es war sein erstes eigenes Haus.
Wir bekamen eine Führung einer netten älteren Dame, die uns zu jedem Stein im Garten und im Haus etwas erzählen konnte. Das Haus war wirklich nicht groß, gerade mal 2 Schlafzimmer und eine Wohnküche. Nelson Mandela hat dort mit seiner zweiten Frau Winnie und drei Kindern zusammen gewohnt. Als er im Gefängnis saß, fiel das Haus zwei Brandbombenanschlägen und mehreren Drive-by Shootings zum Opfer. Aufgetragen durch die Apartheidsregierung, um möglich Aktivisten einzuschüchtern. Das Haus liegt in der Vilkazi Street in Orlando West. Die Straße ist die einzige Straße der Welt, in der zwei Friedensnobelpreisträger gewohnt haben Nelson Mandela (1993) und Erzbischof Desmond Tutu (1985).


Prof Rastatier bekommt die Einschusslöcher am Hause Mandelas gezeigt

Danach ging es weiter zum Hector Peterson Museum. Dies ist ein Museum, welches sich mit dem Studentenaufstand von 1976 gegen das Apartheidsmuseum beschäftigt. Die Schüler und Studenten wurden zu dieser Zeit gezwungen ihren Schulunterricht auf Afrikaans abzuhalten (Bantu Education Act). Dies war aus zwei Gründen nicht ertragbar. Erstens war es natürlich die Sprache der Apartheid und somit der unmenschlichen Unterdrücker und zweitens war die Sprache den Wenigsten geläufig und somit verschlechterten sich die schulischen Leistungen enorm und damit die eh schon spärlichen Berufsaussichten. Stellt euch doch einmal vor, von einem Tag auf den anderen werden alle Schulfächer und Universitätskurse auf Zulu gehalten... Dagegen wollten die Studenten in Soweto demonstrieren. Niemand hat wohl damit gerechnet, dass der Tag so blutig enden würde. Aber plötzlich ertönten Schüsse von den Polizisten und der junge Student Hector Peterson starb. Ihm ist der Platz und das Museum über dem Aufstand gewidmet.
Nach dem ersten Toten eskalierte die Situation natürlich. Studenten bewaffneten sich mit Steinen und Stöcken und traten an gegen die schwerbewaffneten Polizisten. Unzählige junger Studenten ließen dabei ihr Leben. Viele andere Townships in ganz Joburg und im ganzen Land solidarisierten sich und gingen auch auf die Straße und auch die weißen Studenten der Wits University protestierten: "It's not about the language, it's about the system." stand auf ihren Plakaten. Ein klitzekleines Bißchen erinnert mich die Geschichte um Hector Peterson an Benno Ohnesorg, auch wenn man die Hintergründe eigentlich nicht vergleichen kann/darf.


Das berühmteste Bild des Studentenaufstandes von 1976: Ein Mann (Name ist mir grad entfallen) trägt den toten Hector Peterson davon

Dann war unser kultureller Abschnitt des Tages beendet und weil wir schon mal da waren, wollte Cherrol doch ihre Familie besuchen. Wir fuhren also zu einem dieser typischen Backsteinhäuser. Dort leben Großmutter, Tante, Cousins mit Frauen und Kindern. Wir wurden höflich heringebeten und es began eine muntere Diskussion über meine Haare (die Tante wollte mir partout nicht glauben, dass es keine Extensions sind) und natürlich die WM. Dort bekam ich auch meinen neuen Namen. Zwischendurch verließ die Tante uns nämlich kurz, um im Center auf der anderen Straßenseite eine Partie Chinese Gambling zu spielen (ich glaube das ist Bingo). Dort setzte sich auf eine vertikale Reihe und gewann prompt. Da sie vergessen hat wie ich heiße und da solch eine Reihe in dem Spiel King heißt, beschloß sie, dass ich von nun an nur noch KING bin. Ich sag mal so, sicherlich kein schlechter Name, gerade für Soweto...
Später ging es noch zu einigen Freunden Cherrols. Es war mittlerweile dunkel, doch Soweto schien gerade erst aufzustehen. Millionen Menschen auf den Straßen. Die Bars voll. Von überall laute Musik. Lachen, Tratschen, Leben, Liebe. Ein wenig erinnerte mich die Atmosphäre an die Straßen Lilongwes an einem Freitag Abend...

Für all die Kluturbanausen. Ich war natürlich nicht nur intelligent unterwegs. Nein, ich habe auch die vermutlich geilste Party meines bisherigen Lebens erlebt (ich klammere mal den KDK aus, denn der steht außer Konkurrenz). Eine Reggae/Dancehall Party im Bassline. Der Club liegt in Newtown, dem Stadtteil, was gerade kulturell hergerichtet wird. Und der Club sah aus wie eine Mischung aus Theater (lauter Sitzränge) und riesiger Tanzfläche. Es waren bestimmt über tausend Leute da, die jeden Tune extrem gefeiert haben. Unter den ganzen Leuten waren genau drei Weiße: ein Spanier, ich und der DJ, der aussah wie eine Mischung aus Barney und David Rodigan und die Leute zum Kochen gebracht hat.
Es gab die Dancers auf der Bühne, eine kurze open mic session, und bei jedem Mavado, der gespielt wurde sind die Leute komplett ausgerastet. Der Oberhammer. Da habe ich es auch in Kauf genommen, dass ich am folgenden Tag etwas müde in der Uni war. Meine Kleenen haben das natürlich sofort gemerkt und mich damit aufgezogen, aber im Endeffekt fanden sie es doch ziemlich cool...und ich werd wieder hingehen.

Aber nicht in der kommenden Woche, denn morgen steige ich ins Flugzeug und ab geht die wilde Fahrt auf nach Kapstadt. 5 Tage Urlaub an Afrikas Südspitze.
Der Generalstreik des Landes hält ja immernoch an und immer weitere Gewerkschaften solidarisieren sich mit den Streikenden und machen mit. Noch sind die Flughäfen davon nicht betroffen, also hin komm ich auf jeden fall, nur zurück....

ihr und ich, wir werden sehen

Montag, 23. August 2010

Eine neue Woche, eine neue Story...

...genauso handeln wir das.
Ich möchte aber gleich zu Beginn anmerken, dass ich diesmal nichts mit schönen und bunten Bildern hinterlegen kann. Das liegt nicht daran, dass ich keine Bilder gemacht habe oder dass irgendetwas mit der Kamera geschehen ist. Nein, es liegt daran, dass mein armer Läppi etwas spinnt und nicht mehr ganz so funktioniert, wie ich es von ihm erwarte. Naja, ich will nicht schimpfen, denn grade läuft er, erkennt aber die Fotokarte nicht.
Vielleicht hat sich Lappi auch nur mit dem hiesigen öffentlichen Dienst solidarisiert und streikt. Denn hier geht es grade etwas drunter und drüber. Grund ist ein riesiger Generalstreik des öffentlichen Dienstes, besonders Lehrer und Krankenhausmitarbeiter machen mit. Ich habe ja schon vor einiger Zeit angekündigt, dass eine 8,6% Lohnerhöhung plus 1.000Rand House allowance (sowas wie ein Mietzuschuss) von den Streikenden gefordert wird. Die Regierung möchte aber nicht mehr als 7% und 750Rand house allowance zahlen. Dieser Streit geht nun schon seit Ewigkeiten und war nur für die WM kurz ausgesetzt. Nun wurde es aber Ernst. Einerseits bekommen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes oft nur einen Hungerlohn und die gezahlte Mietunterstützung reicht grade mal für eine Hütte in irgendeinem Township , andererseits behauptet die Regierung, dass sie einfach nicht mehr zahlen können, weil sie nicht mehr haben. Und das im Motor Afrikas. Die niedrigen Löhne sind übrigens mit der ärgste Grund für ausufernde Korruption. Man braucht halt einen kleinen Nebenverdienst.
Südafrika hatte ja schon immer eine ausgeprägte Streikkultur, angeführt von mächtigen Gewerkschaften, und nun wird seit Dienstag unbefristet gestreikt. Natürlich das gute Recht eines Jeden in einer Demokratie. Aber die Streikenden gehen soweit, dass Menschen angreifen, die nicht mitstreiken und lieber arbeiten wollen, um Nicht-Streikende einzuschüchtern. Dies gilt wieder besonders für Krankenhausarbeiter. Viele Patienten können nicht behandelt werden, weil es kein Personal gibt. Es führte schon zu einigen Todesfällen, besonders bei Säuglingen. Mittlerweile helfen schon Militärs mit. Und auch den Schülern des Landes gefällt der Streik gar nicht. In zwei Monaten ist das Schuljahr zu Ende und wird mit dem Examen abgeschlossen, hunderttausende Schüler schreiben dann auch ihre Matric (was bei uns das Abitur ist). Diese haben nun natürlich Angst, es aufgrund des Streikes nicht zu bestehen.
Dort wo sich Streikende versammeln, ist es oft sehr angespannt und Polizisten setzten bereits Gummigeschosse ein. Auch ich habe Streikende gesehen, aber ganz friedlich.
Ich war nämlich mal wieder in Downtown Jozi, wo ich mich mittlerweile perfekt auskenne...fast. Ich habe nämlich eine Stadtrundführung bekommen. Es ist wirklich erstaunlich wie zweigeteilt selbst die Innenstadt ist. Es kommt einem so vor, als wenn eine unsichtbare Barriere die Stadt in zwei Hälften teilt. In der einen Hälfte, inklusive dem Mahatma Ghandi Platz (da wo er zwischen 1903 und 1914 mit kleineren Unterbrechungen gewohnt hat) und der Main Street (eine Fußgängerzone, aber ohne Geschäfte, die sind in den Malls) sind die Straßen komplett sauber, die großen Banken und Minenkonzerne haben dort ihre Sitze und man kann an alten Statuen und Tafeln einen Einblick in die Minenstadt Joburg zu Beginn des 20teN Jahrhunderts bekommen. Dort gibt es natürlich weder Bettler noch Straßenhändler, dafür aber unzählige Securitys, die zum Teil schwer bewaffnet sind. Von Pumpgun bis Maschinengewehr...ne normale Wumme gehört da zum Standard. Und natürlich haben wir gleich zweimal Ärger mit grimmigen, schwerbewaffneten Sicherheitsleuten bekommen. Einmal standen wir, weil uns grad mal kurz die Orientierung ausgegangen ist, etwas länger hinter einem Geldtransporter, um zu überlegen, wo wir langmüssen... Sollte man besser nicht machen. Ne schnelle Flucht hat uns aber gerettet. Und dann standen wir in einer Mall in der Innenstadt an einer Brüstung und haben runtergeschaut. Darf man nicht, keine Ahnung warum, aber darf man nicht...
Dann, wie eine unsichtbare Grenze, sieht die Stadt auf einmal ganz anders aus. Die Häuser nicht mehr ganz so saniert und weniger Securitys, dafür mehr Stracheldraht und Gitter. Und natürlich sind die Straßen auf einmal belebt, plötzlich herrscht Trubel. Bettler, Straßenverkäufer, Shops in den Häusern, die von gebrannten CDs bis zu Teppichen alles verkaufen und natürlich die Friseursalons am Straßenrand (Plastikhocker am Straßenrand und Friseure mit Messer und Akkurasierer ausgestattet). In diesen Teilen der Stadt ist es selbstverständlich viel hektischer und lauter, aber dadurch ist irgendwie auch alles entspannter. Aber natürlich möchte ich da nachts nicht alleine langlaufen...Aber faszinierend und schön war es.

Und was machen meine Kleinen? Aus den 8 Lernenden sind nun doch noch neun geworden (ok, ich bin ehrlich, doch nur acht, denn einer ist ja immernoch zum Sprachkurs in Deutschland). Aber wir haben einen neuen Studenten hinzubekommen. Dieser hat den Kurs bereits vor drei Jahren einmal belegt und ist durchgefallen. Nun hat er, leider erst zu spät, gemerkt, dass er automatisch für diesen Kurs eingeschrieben ist, weil er nur noch diesen Kurs braucht, um seinen Abschluss zu erhalten. Tja, er muss nun drei Jahre Pause und vier Wochen Semesterrückstand nachholen. Das ist natürlich wieder eine Aufgabe für Doktor Nachhilfe. Aber glücklicherweise ist er kein ganz so komplizierter Fall, wie mein Lieblings-nachhilfeschüler. Er will nämlich den Kurs bestehen und deshalb schnell im Stoff vorabkommen und nicht drei Millionen mal dieselbe Frage stellen und bei drei Millionen Antworten drei Millionen mal "Ah, stimmt." zu sagen...Aber ich bin ja, WIE IHR ALLE WISST, ein Geduldssengel...Jedenfalls hat sich dadurch die Anwesenheit verändert. Also im Durchschnitt kommen nun vier bis fünf Leute zu den Veranstaltungen und mittlerweile bringen sie auch ihre Materialien mit, sodass man nicht immer improvisieren muss. Heute sind wir dann mit den Rivalen der Wits zusammen auf Wandertag gegangen (oder besser gefahren). Der Direktor der Deutschen Industrie und Handelskummer fürs südliche Afrika (die Jungs und Mädchen, die mir meinen Führerschein fast für Umme übersetzt haben) hat die Deutschlehrenden im ersten Jahr von Wits und UJ eingeladen, alles organisiert von Ralf. Von uns haben sich drei Studenten gemeldet, um teilzunehmen. Zwei haben zeh Minuten vorher abgesagt. UJ war also mit einem Studenten, JD, und einem Dozenten, mir, vertreten. Wir trafen uns auf dem Campus der Wits und trafen dort auf zwei Dozenten und 15 (!!!) Studenten, alle im ersten Deutschjahr, und es waren nicht mal alle da...Etwas ungerecht ist es ja schon, vor allem, weil der Wits-kurs zu 70% aus Damen besteht und nicht wie bei uns 80% Kerle sind. Wir sind dann gemeinsam zur Kammer gefahren. Stingy war mit drei kichernden Zulu-Mädchen auf der Rückbank gefüllt. Die hatten schon, lange bevor sie mich überhaupt das erste Mal gesehen haben, gesagt, dass sie bei mir mitfahren wollen. Ralf hat wohl im Unterricht von mir getratscht...
In der Kammer gab es dann Kaffee und einen Vortrag über die Arbeit der Kammer vom Direktor. Sehr interessant und kurzweilig. JD, als Represäntant der UJ, hat sich mit exellenten Einwürfen und fragen sehr hervor getan. Alle dachten schon: Man, was sind die klug da auf der UJ....Doch dann ging natürlich sein Handy los und der Bann war gebrochen...
Naja, mal sehen, was diese Woche mit sich bringt. Wenn alles klappt, dann steht ein Ausflug zu einem Zulu-Fest (nichts für Touristen) auf dem Programm. Und dann sind ja auch bald Ferien und mein Flug nach Kapstadt ist schon gebucht...

Sonntag, 15. August 2010

Party, Korruption und etwas Geschichte

Nachdem die Anti-Fußballer etwas gelangweilt waren vom letzten Blogeintrag, versuche ich dies nun durch eine detaillierte Clubbeschreibung wieder gut zu machen. Freitag war es nämlich soweit und ich bin nach drei Wochen Südafrika zum ersten Mal tanzen gegangen. Der Club heißt Tandoo und liegt in Yeoville. Eine Gegend, ich gebe es zu, wo ich alleine nachts nicht hingegangen wäre. Aber ich hatte ortskundige Begleitung und war somit nicht verloren. Der Club lag in einer ziemlich belebten Straße, dort gab es noch andere Clubs, ein Striplokal, ein paar Kioske und ein paar Spelunken. Um ins Tandoo zu kommen, musste man erst einen dunklen Gang entlang laufen, in dem die Securitys nach Waffen gesucht haben, und dann eine Treppe hoch, denn der Club befindet sich Open Air auf dem Dach eines Hauses. Dort befanden sich eine Bar, ein paar Billiardtische, ein paar Stühle, das DJ-Häuschen und natürlich ein kleines Feuer. Das Tandoo ist täglich geöffntet und ein reiner Reggae/Dancehall-Schuppen. Es hat mich ein bißchen ans YAAM erinnert. Das Publikum bestand zu 70% aus Männern, davon wiederum 70% Rastas und einem Weißen (mir). Die Atmosphäre war super und ich wurde ständig nett gegrüßt und in Small Talk verwickelt. Meine Begleitung war schon fast sauer, dass nur ich gegrüßt werde…Die Musik war auch sehr nett. Zu Beginn wurde die Reggaeschiene gefahren und die Tanzfläche war voller Rastas, dann ging der Selectah zu Dancehall über und die Player übernahmen das Tanzen. Mixtechnisch war es ziemlich grottenschlecht, aber das hat der Stimmung keinen Abbruch getan und so wurde JEDES Lied mindestens dreimal zurückgezogen. Der Selectah schien auch ein großer Mavado-Fan gewesen zu sein und spielte alle seine Hits, sodass ich lautstark mitgrölen konnte: „Geld verändert uns nicht, wir wechseln Geld. Und wenn du uns anmachst sind wir gefährlich.“. Die Leute in unmittelbarer Nähe wunderten sich zwar, dass ich auf Deutsch mitgröle, ich musste aber trotzdem in mich hinein kichern…
Gegen zwei Uhr war es dann abrupt vorbei mit der Party. Der Clubeigentümer, ein älterer Rasta, rannte wie von der Hornisse gestochen zum Mischpult, riss die Regler runter und rief nur: „Police, Police“. Und tatsächlich standen drei Polizeiwagen mit Blaulicht vor dem Eingang und mehrere Polizisten dazu, entweder auf der Jagd nach dem süßlichen Geruch, der vom Clubdach auf die Straße weht, oder einer anderen Möglichkeit das Gehalt etwas aufzupeppen. Die Tanzfläche war auch auf einmal leer und 2/3 der Gäste waren verschwunden, wobei niemand den Club durch den Vordereingang verließ. Nach einer halben Stunde verschwanden die Polizisten wieder so schnell wie sie gekommen waren, aber die Stimmung der Party war hinüber. Also gingen wir auch nach Hause. Ich brachte meine Begleitung nach Hause und wollte dann gemütlich nach Hause cruisen. Da passierte es…

Ich passierte gerade die Polizeistation Hillbrow, hielt an einer Ampel, es wurde grün, ich fuhr los und schwupps steht da ein Polizist auf der Straße und leuchtete mich raus. Ich hab ja schon unzählige Geschichten über die südafrikanische Polizei gehört, jetzt durft ich sie auch mal live erleben. Der Cop wollte Führerschein und beglaubigte Übersetzung des Führerscheins sehen, die ich glücklicherweise vorher mit eingepackt hatte. Dann ging er mehrere Runde ums Auto und suchte was auch immer. Als er nichts fand, fragte er also wo ich grad herkomme und wo ich hin will und ob ich was getrunken hätte. Da ich zwei Bier, verteilt über den ganzen Abend, getrunken hatte, sagte ich: Ein Bier. Enttäuscht rief der erste Cop einen Kollegen herbei mit der Ankündigung, einen Alkoholtestes zu machen. Ich glaube aber, die hatten noch nicht mal n Tester dabei. So standen aber nun zwei riesige Cops vor mir, mit schelmischen Grinsen. Sie erklärten mir, dass man mit einem Bier schon durchaus über der Promillegrenze liegt und wenn dies der Fall wäre müsse ich auf die Hillbrow Policestation und das wäre es nicht grade gemütlich. Ich wusste natürlich, dass dies nicht stimmte. Aber ich hatte nicht mal einen Pass mit Visa dabei und wusste, dass ich nicht ohne Geld weiterfahren kann. Ich hab kurz überlegt, ob ich es drauf ankommen lasse, aber hab mich dann dagegen entschieden. Ich wollt lieber nicht provozieren, dass die sich sonst was ausdenken. Also hab ich die „Oh, Mr.Officier, I’m so sorry“-Schiene abgespult und hatte glücklicherweise noch 50Rand dabei, die ich nach gefühlten eintausend Sorrys aus dem Fenster hielt. Der eine Cop rief nur ganz panisch: „Nimm den Arm wieder rein.“ Nicht mal bestechen kann ich richtig… Er gab mir also meinen Führerschein wieder und nahm sich dabei den Schein, schaute ihn sich an und befand wohl, dass es reichte. Er wünschte mir einen schönen Abend und ich konnte ungehindert, aber voller Adrenalin, nach Hause fahren…Aber ich habe mir bestätigen lassen, dass es so nun mal abläuft. In der kriminellsten Stadt der Welt stehen die Cops (natürlich nicht alle) ganz weit oben auf der Kriminalitätsleiter…

Da ich ja natürlich nicht zum Vergnügen hier bin, sondern um etwas Anständiges zu lernen, hab ich am heutigen Sonntag einen Ausflug zum Apartheidsmuseum gemacht. Ich habe vorher schon gelesen, dass dies ein beeindruckendes Museum sein soll, aber es war sogar sehr beeindruckend. Das Museum ist ziemlich groß und erinnert mich irgendwie an das Jüdische Museum in Berlin, zum einen wegen der Architektur (obwohl es flach ist) und zum anderen, weil dort jeweils die extrem negativen Aspekte der jeweiligen Landesgeschichte verarbeitet werden. Schon der Eingang hat mir gut gefallen. Anhand der Eintrittskarte wurde man als White oder Non-White klassifiziert und musste den jeweiligen Eingang nehmen und die ersten paar Meter des Museums waren beide Bereiche getrennt voneinander.


Museumseingang

Das Museum bestand aus sehr vielen Fotos, Texten, Originaldokumenten und Gegenständen (von Fahnen über Waffen bis zu einem Polizeipanzer). Überall waren kleine und größere Fernseher aufgestellt, wo Originalfilmmaterial, Propagandafilme der Apartheidsregierung, Interviews und und und gezeigt wurden.

Ich finde, dass hier ein kurzer Umriss der Geschichte Südafrikas im 20ten Jahrhundert fällig ist:
Nach Beendigung der englisch-burischen Kriege Ende des 19ten Jahrhunderts, bei denen die Engländer von der schwarzen Bevölkerung, mit Aussicht auf mehr Freiheit, unterstützt wurden, vereinigten sich burische (Traansvaal und Orange Free State) und englische (Natal und Kap-) Provinzen 1910 zur südafrikanischen Union. In deren Verfassung stand bereits, dass die weiße Bevölkerung bevorzugt werden sollte. Nach mehreren Streiks besonders in der Minenstadt Johannesburg durch arme Weiße und Schwarze besann man sich darauf, eine Politik der Segregation (Trennung) zu betrieben, die man damit begründete, dass die armen Weißen, die mit Schwarzen zusammenleben keinen guten Umgang haben und durch jene zur Unruhe angestiftet wurden. Die Gründerväter dieser Politik waren Jan Smuts und Barry Hertzog, noch heute sind hier große Straßen und Häuser nach den Beiden benannt. 1912 gründete sich dann der South African Native National Congress, der später zum ANC wurde. Da gerade junge Afrikaner nicht mit allen Entscheidungen des ANCs zufrieden waren, gründeten drei Hitzköpfe die ANC Youth League, die auch heute noch große Macht hat. Die Namen der Hitzköpfe Oliver Tambo, Walter Sisulu und Nelson Mandela. Es wurden Streiks (gerade bei Minenarbeitern) organisiert und gegen die Benachteiligung durch die weiße Minderheitsregierung protestiert. Nach dem zweiten Weltkrieg, genauer im Jahr 1948, gewann dann die National Party die natürlich rein weißen Wahlen und ihr Vorsitzender Pfarrer Malan führte offiziell die Apartheid ein. Es wurden unzählige Gesetze erlassen, die Schwarze, Coloureds und Asians immer weiter benachteiligten. Geführt durch den ANC gab es unzählige friedliche Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie Protestmärsche, Streiks, Boykotte und die öffentliche Passverbrennungen (angeführt von Nelson Mandela). Doch nachdem ein weißer Farmer auf den größten Architekten der Apartheid Hendrik Verwoerd (studiert in Nazi-Deutschland) verübte, welcher schief ging, spitze sich die eh schon angespannte Lage immer weiter zu und es gab immer mehr Gewalt zwischen beiden Seiten. 1947 erklärte Mandela dann (mittlerweile Generalsekretär des ANC), dass der friedliche Widerstand nicht mehr ausreichte und so gründete sich der „Speer der Nation“ (UmkhontoW sizwe (MK), bewaffneter Arm des ANC). Es folgten mehrere Sabotage-Akte und auch vereinzelte Terroranschläge, doch im Grunde galt: Sachschaden um Investoren abzuschrecken JA, Personenschaden Nein. 1962 wurde Mandela dann als Chauffeur getarnt verhaftet und 1964 zu lebenslanger Haft im Zuge des Rivona-Prozesses verhaftet. Kurz zuvor wurde das Versteck des MK gestürmt, mehrere Führer verhaftet und Mandela als Nummer eins ausgemacht. Er kam, wie so viele andere auf die Gefängnisinsel Robben Island. Währenddessen gingen die Proteste weiter, wie mit dem Studentenaufstand von Soweto im Jahr 1976 oder den harten 80er, als der damalige Präsident Botha den Ausnahmezustand über Südafrika verhängte, was den Polizisten noch mehr Macht und Gewalt einräumte. Erst der 1989 gewählte Präsident FW de Klerk sah ein, dass es so nicht weitergehen konnte. Er erlaubte vorher verbotene Parteien (ANC, Pan African Congress, Kommunistische Partei,…) wieder und ließ alle politischen Häftlinge. So auch Nelson Mandela am 11.2.1990. Die kommenden vier Jahre wurde dann eine neue Verfassung der Gleichberechtigung ausgehandelt. Aber gerade in diesen Jahren gab es viele Gewaltakte von Parteien wie der Inkatha (Partei der Zulus) oder dem AWB (eine NPD gleiche Partei, auch heute noch aktiv), welche die ersten freien Wahlen unbedingt verhindern wollten. 1993 bekamen FW de Klerk und Mandela den Friedensnobelpreis und am 27.4.1994 hieß es zum allerersten Mal in der Geschichte Südafrikas „One man (Frauen natürlich auch) one vote“ und der ANC gewann die Wahl mit 73%. Mandela wurde Präsident Südafrikas und Thabo Mbeki und FW de Klerk Vizepräsidenten. Das war eine Kurzzusammenfassung der Geschichte, die selbstverständlich viel viel umfassender ist und in der eigentlich viel mehr Personen eine tragende Rolle spielen. Besonders erstaunlic fand ich die doch ziemlich große Anzahl von Apartheidsgegnern und Soldaritäten mit dem ANC, etc aus der weißen Bevölkerung (besonders Studenten und Frauen), die ebenfalls verfolgt wurden, wie schwarze Aktivisten. Auch gab es selbstverständlich extrem viele schwarze Informer, die für das Regime arbeiteten.

Die 7 Säulen der neuen Verfassung Südafrikas: Freedom (Freiheit), Equality (Gleichheit), Responsibility (Verantwortlichkeit), Democracy (Demokratie), Diversity (Diversität), Respect und Reconciliation (Versöhnung)

Insgesamt war das gesamte Museum sehr düster gehalten und zum Teil war es extrem schockierend. Deswegen gibt es einen kleinen Park am Ausgang. In dem soll man einen Spaziergang machen, um das Gesehene zu verarbeiten, und dann kann man gehen…frei

Donnerstag, 12. August 2010

WM Afterhour

Gestern war es nun so weit. Ein Land voller Exstase und Begeisterung. Naja, zumindest ich voller Extase und Begeisterung. Genau einen Monat nach dem WM Finale in der Soccer City gab es das nächste Highlight im afrikanischen Fußball. In einem Freundschaftsspiel trat Bafana Bafana gegen die Black Stars an. Südafrika gegen Ghana im FNB Stadion. Dieses Stadion ist zufälligerweise dasselbe Stadion wie das National Stadion und gleichzeitig auch die Soccer City. Heute wurde entschieden, dass das größte Stadion Südafrikas nach einer der größten Banken Südafrikas benannt wird. Diesen Namen hatte Soccer City auch schon vor der WM, wurde dann aber aus FIFA-rechtlichen Werbegründen für 4 Wochen zur Soccer City.
Naja, jedenfalls sollte es wieder Fußball geben und das war für mich doch die Gelegenheit die knapp verpasste WM ein wenig nachzuholen. Sogar in der Tagesschau wurde, im Zuge des großen Streiks des öffentlichen Dienstes hier am Dienstag, das Spiel erwähnt. Dabei fiel auch der Kommentar, dass 4 Wochen nach der WM alles wieder back to normal ist. Ähm, na klar ist Südafrika vier Wochen, nach dem die Fans und die Presse und vorallem die Fußballspiele der WM weg sind, nicht mehr im Ausnahmezustand. Aber wie back to normal alles wieder ist, durfte ich auch noch erfahren.
Gegen Nachmittag ging es also los. Ich hatte dabei, was man für ein Fußballspiel braucht: drei paar Socken, zwei Pullover, eine Traingsjacke, eine Jacke, eine Decke und natürlich eine Vuvuzela. (bevor jetzt wieder Flitzergerüchte aufkommen, natürlich hat ich auch ne Hose mit.)
Ich holte Ralf von der Arbeit ab und betrat dabei zum ersten Mal den Boden der Konkurrenz Uni. Von dort aus ging es zur Park Station, von wo aus wir einen Zug zum Stadion nehmen wollten, welches in unmittelbarer Nähe des bekanntesten Townships Soweto steht. Doch an der Park Station angekommen ging das Normale los. Wir hatten überhaupt keine Ahnung wo wir hinmussten, welchen Zug wir nehmen sollten und überhaupt. Zur WM war alles voll mit Menschen, alles war detailreich ausgeschildert und überall standen Ordner herum, welche den Weg gewiesen haben. Ohne all diese Details verlor selbst Ralf die Orientierung. Aber das war nicht nur unser Schicksal, und so fand sich eine Menschenmenge ausgestattet mit Vuvuzelas, Fahnen, Trikots und anderen Fanartikeln auf einem Gleis des Bahnhofes zusammen. Gemeinsam umrundeten wir einen Sicherheitsmann und forderten eine Auskunft. Der arme Mann funkte sofort einen Kollegen an, der uns dann mitteilte, dass es keinen Zug zum Stadion mehr gebe, die seien alle schon dort. Wir sollten doch den Bus von der Commissioner Street nehmen. Der Anpfiff rückte immer näher und Wenige wussten, wo denn diese Haltestelle sei. Diese gingen dann aber zielbewusst voran und die unwissende Menge hinterher. Wir marschierten also etwa eine halbe Stunde durch Downtown Jozi. Straßenhändler, die gerade ihre kleinen Läden zusammenpackten, Autofahrer und alle, die sonst noch auf den Straßen unterwegs waren, sahen uns verwirrt hinterher. Und verwirrt waren auch wir. Ich fragte mich teilweise, ob wir denn noch den richtigen Leuten folgen und ob diese denn wirklich wissen, wo sie hinmüssen...Doch schließlich hörten wir das erlösende Summen eines Schwarms Bienen und wir wussten: das ist ein Bus voller Fußballfans. Wir waren gerettet. Mittlerweile war es kurz nach acht und wir hatten die Hoffnung, dass wir nur die ersten 5-10 Minuten des Spiels verpassen würden. Nach einer trötenden Busfahrt sahen wir die leuchtende Schüssel in der südafrikanischen Nacht. Jetzt schnell rein. Aber da ich vier Karten gekauft hab und zwei Personen kurzfristig abgesagt hat, wollt ich die zwei übrigen Karten noch für 50Rand pro Karte (immerhin nur 50% des Originalpreises) verticken. Ich wusste ja, dass das Spiel nicht ausverkauft war und merkte deshalb schnell, dass ich mit den professionellen Karternvertickern nicht mithalten konnte. Diese verkauften die Karten für 2-10Rand (wurden sie aber auch nicht los). Hätt ich das vorher gewusst, hätt ich viel Geld gespart. So liefen die Gespräche wie folgt ab: "Hi, brauchste ne Karte?" "Ne, aber brauchst du eine?". Die Mission war also gescheitert und wir wollten schnell ins Stadion. Das wurde aber auch verhindert, durch einen jungen Fußballfan, der ein Foto mit mir schießen wollte. Und plötzlich kamen von überall her Menschen und wollten ein Foto mit mir schießen. Tja, weiß ja. Aber ich wollte ja auch das Spiel sehen...Wir sind also hineingestürzt, haben den erstbesten Block für gut befunden und hinter dem Tor auf zweiter Ebene Platz genommen. Pünktlich zum Ende der Begrüßung der Spieler durch Südafrikas Präsident Jacob Zuma und dem Beginn der Nationalhymnen, die allerdings auch schon 10Minuten hinter dem Zeitplan hingen. Auch hier war alles wieder normal.

die Teams und der Präsident hören die Hymnen


Jacob Zuma auf der Anzeige

Das Stadion war nur zur Hälfte gefüllt und so blieben die oberen Ränge fast komplett leer. Die meisten Zuschauer waren selbstverständlich im Bafana Bafana Trikot erschienen samt allen erdenkbaren Gegenständen, die ein Fans so haben kann. Besonders gefallen mir ja die Bauarbeiterhelme mit den Kunstwerken oben drauf (geht von Stickern über Windmühlen bis ganzen Welten). Neben den unzähligen Südafrikaflaggen sah man aber auch viele Ghannaflaggen, und auch sonst viele Landesflaggen von Niederlande bis Swaziland. Auch Ralf hatte sowohl Ghana- und Südafrika dabei, frei nach dem Motto: mal kieken, wer besser spielt. Und natürlich hörte man die ganze Zeit die Vuvus. Nach einem kurzen Seitenwechsel nach der Seitenwahl, der uns eigentlich ganz und gar nicht gepasst hat, ging es auch schon los.

Motivationskreis kurz vor Anpfiff


der Rang unter uns

Wir saßen in der ersten Halbzeit also hinter Südafrikas Torhüter Itumeleng Khune und sahen ein teilweise sehr gut kombinierende südafrikanische Mannschaft. Das Spiel fand hauptsächlich in der ghanaischen Hälfte statt, war aber geprägt durch Verletzungspausen. Mehrere Spieler mussten behandelt werden, weil sie angeschossen wurden, der ghanaische Torhüter Richard Kingson sogar mehrfach. Ja, es tut schon weh, wenn ein Ball auf die kalte Haut kracht. Es waren um die 0° Celsius.
In der 42Minute passierte es dann. Unmittelbar neben mir schmiss ein Zuschauer, ohne zu überlegen und ohne Grund, seinen vollen Bierbecher in den unteren Rang. Dies kam dort natürlich gar nicht gut an und alle mockierten. RuckZuck standen FÜNF Polizisten vor dem ca 20-jährigen, weißen Becherwerfer, dem man deutlich ansah, dass er sich fragte: Warum hab ich das eigentlich getan, und zerrten ihn heraus. In dem Moment fingen alle, die nicht von dieser Action gefesselt waren, an zu jubeln: 1:0 für Südafrika durch Katlego Mphela. Toll, ich hab's nicht gesehen, nur die Wiederholungen auf der Anzeigetafel und den Jubel der Spieler.

Freude nach dem 1:0

Nach 5 Minuten Nachspielzeit in der ersten Halbzeit folgte der Halbzeitpfiff. Während sich Ralf auf die Suche nach kaltem Bier (genau richtig bei den Temperaturen) machte, schaute ich mir die Halbzeitshow an. Erst rannte die U17 Frauennationalmannschaft zweimal über den Platz. Dieses Team nimmt bei der WM teil, die am 5.9.2010 in Trinidad and Tobago beginnt. Dann folgte eine Gesangs- und Tanzeinlage einer südafrikanischen Sängerin, deren Namen ich nicht verstand, und ihren Tänzerinnen. Alle sehr unpassend angezogen für die Temperaturen der Nacht, aber so wurde zumindest den Männern wieder etwas wärmer. Und pünktlich zum Wiederanpfiff hatte ich dann ein kaltes Bier in der Hand. In der zweiten Halbzeit beschränkte sich Südafrika dann mehr darauf, die Führung zu verteidigen. Sie waren nur noch selten vor dem Tor hinter welchem wir saßen anzutreffen. Aber auch die schwache ghanaische Mannschaft hat sich nicht sonderlich angestrengt, so dass es kaum noch Torchancen gab und das Spiel etwas lahmer wurde. Dazu die Kälte, eingemurmelt in Sachen und Decke und die dauerhaften Vuvuzelas (die überhaupt gar nicht monoton sind, man kann damit schon Melodien kreieren), das hatte schon fast wieder was beruhigendes. Aber bei südafrikanischen Fußballfans zählt (wie auf Berliner Bolzplätzen) ein schöner Trick, ein toller Tunnel, eine raffinierte Flinte eh viel mehr als ein langweiliges Tor und so wurden diese kleinen Spielereien jedes Mal frenetisch gefeiert. Ab der 80Minute leerte sich das Stadion dann rasant, sodass ich befürchtete, dass zum Abpfiff niemand mehr da ist. Aber wir plus ein paar andere Harte haben bis zum Abpfiff ausgehalten und so konnt ich ihn dann doch noch entdecken: Kevin Prince Boateng. Er stand nicht, wie großartig angekündigt und vermutet auf dem Platz, sondern in mitten der Zuschauer im Rang unter uns...ähm, fast.

Kevin Prince war also doch da...

Für den Rückweg hatten wir dann den Transportgott auf unserer Seite. Wir versuchten einen Zug zur Park Station zu finden, fanden einen, fanden Sitzplätze, und kurze Zeit später stiegen wir um in ein Auto mit Heizung und waren eine halbe Stunde nach Abpfiff zuhause, wo ich mich mit all den Klammotten plus drei dicken Decken ins Bett murmelte...

WM-Unglücksrabe Gyan Asamoah, der gegen Uruguay einen Elfmeter in der 120ten Spielminute an die Latte setzte und Südafrikas Liebling und WM-Held Siphiwe Shabba Tshabalala

Ja, das ist Fußball. Die große Leidenschaft (zumindest seit der WM auch bei den sonst eher Rugby favorisierenden weißen Südafrikanern) der Südafrikaner. Man merkt schon, dass Fußball viel kann, im Sinne von kulturellem Zueinanderbringen. It's more than just a game (schaut euch diesen Doku-Spielfilm über die Fußball-Liga auf Robben Island zu Zeiten der Apartheit. Super!!!)

Dienstag, 10. August 2010

Sturmfrei in Joburg

Zwei Wochen bin ich nun schon in Südafrika. Es kommt mir gar nicht so vor. Die Zeit vergeht hier immens schnell.
Letzte Woche wurde ich ja bereits von meiner Praktikumsmutter Frau Baker alleine gelassen und seit letztem Mittwoch hatte ich dazu auch noch sturmfrei zuhause. Matthias ist bereits am Montag hier ausgezogen und zurück nach Deutschland geflogen und am Mittwoch ist Ralf zu einer Dienst-/Urlaubsreise in den Norden Südafrikas aufgebrochen. Auch viele Leute, die ich hier bereits kennen gelernt habe, haben das vergangene Wochenende für eine Kurzreise genutzt, denn der Montag war ein Feiertag (Woman's Day). Ab heute ist nun wieder alles beim Alten. Frau Baker ist wieder uín der Uni und Ralf wieder zuhause. Naja fast alles ist wieder beim alten, denn heute gab es einen großen Streik der Lehrer und anderer Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Die Streikkultur ist in Südafrika ja sehr verbreitet und beliebt. Ein Streik wird hier nicht ein Streik genannt, wenn nicht mindestens 50.000Leute teilnehmen. Dementsprechend lahm iegt in der Streikzeit das Land. Auch habe ich mir sagen lassen, dass die Streikenden eine sehr kompromisslose Verhandlungsstrategie haben. Hier mal ein Auszug:
Streikende: "Wir wollen 8.5% mehr Lohn!"
Arbeitgeber: "Das ist zu viel. Wir bieten euch 6.5%!"
Streikende: "Wir wollen 8.5% mehr Lohn!"
Arbeitgeber: "Das ist zu viel. Wir bieten euch 7%!"
Streikende: "Wir wollen 8.5% mehr Lohn!"
Arbeitgeber: "Das ist zu viel. Wir bieten euch 7.5%!"
...
Streikende: "Wir wollen 8.5% mehr Lohn!"
Arbeitgeber: "Na gut!"
das sagt die Taz dazu

Ich hatte ja teilweise das Gefühl, das auch meine Studenten streiken. Am Dienstag haben sie eine Klausur geschrieben. Zum ersten Mal waren alle Studenten dafür anwesend. Aber ich musste ja nicht viel mit ihnen machen. Nur aufpassen, dass niemand abschreibt oder sonstwie schummelt. Ganz souveräne Aufgabe für mich. Mittwoch, zur Übungsstunde, kam genau ein Student und der kam auch noch 10Minuten zu spät. Ich war schon ganz verzweifelt. Ich habe mich stundenlang auf die Stunde vorbereitet. Alles sollte nach Plan laufen und dann kommt niemand. Ich dachte erst ich bin am falschen Tag zur falschen Zeit im falschen Raum, aber immerhin kam ja dann doch ein Student, der aber dafür seine Arbeitsblätter nicht dabei hatte...da hieß es dann improvisieren und wir haben eine Landeskundestunde gemacht. Er hatte tausend Fragen über Deutschland, die ich ihm so gut es ging beantwortete.

Zu unsere Lektürestunde am Freitag, zu der diesmal der Lehrer 10Minuten zu spät kam, da er sich diesmal an der Zeit geirrt hat, waren dann wieder mehrere Studenten anwesend. Ich erwähnte, dass ich ein wenig enttäuscht war über die mittwochliche Anwesenheit. Natürlich entschuldigten sich alle und gelobten Besserheit. Aber was soll ich sagen, hier gibt es halt keine Anwesenheitspflicht. Die Hälfte des Kurses lernt Deutsch nur, weil sie müssen und alle haben nebenbei ein Fulltime Studium und/oder Job. Da kann man ja nicht jedes Mal kommen. Aber das ist nur eine kleine Herausforderung, die ich meistern werde.
Da ich ja nur 6Wochenstunden habe, die ich mir nun auch noch mit Frau Baker teile, da sie ja auch nicht mehr zu tun hat, bin ich ja gerne bereit meinen Studenten Nachhilfe zu geben. Mein besonderer Fall heißt Travis. Travis studiert fulltime und macht nebenbei ein Praktikum an einer Schule. Das bedeutet, dass er nur einmal wöchentlich zum Unterricht kommen kann. Mit ihm traf ich mich also samstags in einer Bar und dachte ursprünglich an einen lockeren Tag mit einem Drink und etwas Nachhilfe. Doch es entpuppte sich als knüppelharter 5Stunden Unterricht. Travis lernt sehr langsam, was er auch offen zugibt und stellt dafür aber viele Fragen (er ist im normalen Leben Psychologiestudent...noch Fragen). Jedes Mal, wenn ich dachte, jetzt hat er es, ging es wieder von vorne los. Wir haben also die gesamte Zeit damit verbracht Nominativ, Prädikat, Dativ und Akkusativ in einfachen Sätzen zu bestimmen. Er ist nämlich großer Anhänger von grammatikalichen Regeln, was mit der Lehrmethode, die in der Uni angewandt wird (Grammatik erlernen durch Reden, Schreiben, Lesen) nicht ganz so vereinbar ist. Mir wurde ja vorher gesagt, dass ich geduldig sein soll. Ich habe es auch probiert, aber nach 5h musste ich mir doch eine Ausrede einfallen lassen, um zu fliehen. Naja, heute hatten wir unseren zweiten Nachhilfeunterricht. Drei Stunden Nominativ, Dativ, Akkusativ bestimmen...ich werd bestimmt davon träumen. Aber er meinte zum Ende, dass er nun alles verstanden hat. (Leider hängt er jetzt schon wochenlang hinter den anderen...) Und zur Belohnungzeigt er mit Stadt und Bars.

Das gesamte Wochenende haben Stingy und ich dann die Stadt unsicher gemacht, haben uns Sehenswürdigkeiten und Ähnliches angeschaut. So waren wir zum Beispiel in Sandton City, ein riesiges Shoppingcenter, gegen dies das Alexa mickrig wirkt. Dort fand man wirklich alles: Armani Store neben Gucci neben Prada neben... und alle haten Winterschlußverkauf. Da hab ich direkt zugeschlagen und mir 2 Zeitungen gekauft...den Rest konnte ich mir nicht leisten. Dafür hab ich ein kleines Kaffeechen auf dem angrnzenden Nelson Mandela Square trinken können. Dazu Zeitungen lesen in der südafrikanischen Wintersonne...

Madiba Statue auf dem Nelson Mandela Square mit Sandton Tower

Sandton ist das reichste Viertel in Joburg und gilt sogar als wohlhabenster Quadratkilometer (dabei ist Sandton 1,6qkm groß) Afrikas. Nach dem Ende der Apartheit war die Innenstadt Joburgs nicht mehr nur den Weißen vorbehalten und so strömten viele Afrikaner in die Innenstadt. Die reichen, weißen Minenbosse und sonstige Geschäftsmänner verliessen die Innenstadt und sind nach Sandton umgesiedelt. Die Innenstadt erlebte daraufhin eine Dekade der Verwahrlosung und somit Anstieg der Kriminalität. Noch heute sind viele Bürohochhäuser in der Innenstadt verlassen, auch wenn es seit einigen Jahren Innitiativen gibt die Innenstadt kulturell und wirtschaftlich zurückzugewinnen. Trotzdem warnen viele (eigentlich kann man sagen: alle)davor bei Dunkelheit durch Viertel wie Hillbrow, Berea oder Yeoville zu gehen/fahren. Auch ist nicht zu verachten, dass Sandton direkt an Alexandra grenzt, einem riesigen Township und fast der ärmste Quadratkilometer in Südafrika. So eng und so krass sind die Gegensätze in Südafrika

Skyline von Downtown Joburg (links mit Hillbrow Tower)

Gerade Hillbrow, wo der Johannesburger Fernsehturm steht, welcher natürlich aufgrund der Sicherheitslage nicht zugänglich ist, ist berüchtigt. Sieht man doch dort und auch sonst in der Stadt Menschen mit Cappies und Shirts mit der Aufschrift:"Badboys Hillbrow". Was aber wie ein Gangname scheint, ist der Name einer Sicherheitsfirma, die Kriminalität in Hillbrow bekämpfen. Die Art und Weise, wie sie dies tun, ist ...naja...Aber mit der Sicherheit kann man hier gutes Geld verdienen, es geht los bei Elektrozäunen, Alarmanlagen, Sicherheitsteams...nicht umsonst ist der eine oder andere Minister gleichzeitig Boss eines Sicherheitunternehmens...Wie, glaub ich schon mal erwähnt. Sicherheit und Fußball sind die Lieblingsthemen vieler Südafrikaner.
Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt. Morgen darf ich ein wenig WM-Afterparty Luft schnuppern. Da geht es zum Freundschaftsspiel Südafrika vs Ghana nach Soccer City, dieses Stadium heißt eigentlich National Stadium und wurde nur zur Wm so genannt. Da freu ich mich drauf, auch wenn es morgen noch einmal den letzten richtigen Wintertag geben soll mit 15Grad tagsüber und 0 bis 1Grad nachts...

Und nun zu einer Beobachtung, die ich für sehr nennenswert halte. In einer Stadt, in der es unzählige Autos gibt und jeder überall mit dem Auto hinfährt (besonders auch auf kurzen Strecken und ich bezweifle stark, dass die Kurze-Strecken-Auto-Fahren ist viel umweltfreundlicher als lange Strecken fahren Theorie hier so fruchtet (du hiermit angesprochene Person, weiß schon, dass ich sie meine)), gibt es natürlich sehr viel Verkehr und sehr viele Unfälle. Und natürlich fallen auch gerne mal die Ampeln aus. Trotzdem ist man auch an riesigen und überfüllten Straßenkreuzungen ohne funktionierende Ampel schnell wieder weg, denn hier fährt jeweils abwechselnd eine Reihe von jeder Seite. Sehr gerecht und schwupps ist man über die Ampel. Man muss es nur wissen und darf natürlich nicht glauben, dass man Vorfahrt hat, weil man ja auf ner Vorfahrtsstraße ist...übrigens funktioniert das gleiche System auch an kleineren Kreuzungen und Kreisverkehren. Rechts vor links oder solche Späße gibt es nicht...

Gut, dann bleib ich halt wachsam. Bis demnächst:
Sharp (das ist hier die Kurzform von "alles ist cool")

Montag, 2. August 2010

Mit dem Auto durch das Wochenende

Vor Beginn des Praktikums habe ich zwei Informationsbroschüren von DAAD und der Industrie- und Handelskammer (RSA) bekommen, in denen jeweils empfohlen worden ist, sich hier ein Auto zu mieten. Es sei sicherer und man ist unabhängiger, da nach Einbruch der Dunkelheit kaum noch Minibusse fahren. Die preisgünstigsten Autos werden bei Cue Let Cars verliehen, welche ihren Sitz im jüdischen Viertel haben. Man könnte auch sagen, dass alle deutschen Praktikanten ihr Auto dort geliehen haben. So auch ich. Das Büro sah/sieht aus wie eine Baustelle. Justin, der jüdische Autovermieter entschuldigte sich tausendmal dafür und behauptete, dass sie grade renovieren. Ich habe aber von anderen Seiten gehört, dass es dort seit Jahren so aussieht. Auf dem Hof standen unzählige, alte Autos. Kein Wunder, dass dieser Verleiher so günstig ist. Die Autos sahen teilweise so aus, als wenn sie auseinander fallen würden, wenn man die Tür etwas fester zuschlägt. Hauptsache sie fahren, wie auch immer, ist wohl das Motto. Von anderen Praktikanten habe ich auch die schönsten Geschichten gehört, wie ihr Auto einfach so in den fantastischsten Situationen den Geist aufgegeben hat. Aber Justin soll wohl exzellenten Service anbieten und die Autos immer wieder in Schwung bringen. Da ich keinen internationalen Führerschein besitze, wollte er mir erst kein verleihen, aber nachdem ich ihm versprach diesen so schnell wie möglich nachzureichen, bekam ich meinen Stingy.
Es ist ein 6 Jahre alter Mazda Sting, ohne Servolenkung und die Handbremse funktioniert auch nicht richtig. Dafür hat es Zentralverriegelung, auch wenn ich später festgestellt habe, dass die Zentralverriegelung willkürlich Türen offen lässt und man immer sicher gehen muss, dass alles verriegelt ist. Aber das Beste ist: das Auto fährt.
Meine erste Fahrt im Berufsverkehr am Freitagnachmittag lief dann auch besser als gedacht. Den Weg fand ich dank meines ausgezeichneten Orientierungssinnes sofort. Und auch mit dem Linksverkehr hatte ich so gut wie gar keine Probleme, denn ich habe den wertvollen Tipp bekommen, dass das Lenkrad immer innen sein muss. Mein anfänglich größtes Problem war das Schalten. Jedes Mal wenn ich den Gang wechseln wollte, stellte ich verwundert fest, dass dort ja gar kein Schaltknüppel ist, sondern die Fahrertür…Aber nach einiger Zeit hab ich mich daran gewöhnt mit links zu schalten. Schwieriger in den Kopf zu bekommen, fand ich es, dass ja auch der Blinker auf der anderen Seite ist. Ich habe also jedes Mal, wenn ich irgendwo abbiegen wollte, die Scheibenwischer eingeschaltet. Aber bis auf mich hat das niemanden gestört, denn hier blinken eh die wenigsten Autofahrer. Mittlerweile klappt das Fahren super und ich heize quer durch die City. Ich habe nur Angst vor einem Unfall, da es hier schon einige sehr rücksichtslose Autofahrer gibt. So habe ich, in der Nähe meines Hauses, an einer uneinsehbaren, großen, stark befahrenen und gefährlichen Kreuzung, an drei aufeinanderfolgenden Tagen einen schweren Unfall gesehen.


Stingy vor meiner Bleibe

Mit meinem Sting bin ich auch zu den drei Partys, die am Wochenende stattfanden, gefahren. Dabei lernte ich die Stadt etwas besser kennen, da ich mich bisher jeden Tag einmal verfahren habe. So wollte ich beispielsweise auf der Autobahn in Richtung Norden fahren, habe aber die falsche Auffahrt genommen, da diese häufig überhaupt nicht ausgeschildert sind, und bin stattdessen in Richtung Süden gefahren. Einfach nächste Abfahrt runter und auf der anderen Seite wieder rauf ist so gut wie nicht möglich, weil Johannesburg zu einem großen Teil aus Einbahnstraßen zu bestehen scheint. Und einmal ne Runde um den Block zu machen, ist auch leicht verwirrend. So habe ich also mein ersten selbstständigen Erkundungen in Downtown Jozi gemacht, obwohl das nicht so geplant war. Ich habe die Straße mit der höchsten Dichte an Obdachlosen (führt genau unter der Autobahn lang) kennen gelernt. Immerhin bin ich durch gute Orientierung und noch bessere Kartenlesefähigkeiten (obwohl dies auch etwas schwieriger sein kann, weil an vielen Namen kein Straßenname steht) immer irgendwann dort angekommen, wo ich hinwollte.

Die Freitags- und Samstagsparty fanden bei Leuten zuhause statt, entweder Freunde/Mitarbeiter von Ralf oder Matthias oder beiden. Eine Party fand in einer riesigen Villa, wo eine 5er WG drin wohnt, statt, eine in einem Cottage. Die Gäste waren alle weiße Südafrikaner, Deutsche oder Franzosen. Studenten oder Praktikanten/Dozenten der Wits University oder Mitarbeiter des DAAD, die auch in der Wits untergebracht sind. Ich war also der einzige UJler und bekam sofort mit, dass zwischen beiden Universitäten starke Konkurrenz herrscht. Glücklicherweise wurde ich nicht gleich wieder rausgeschmissen.
Die Samstagsparty war übrigens ein Braai, dies ist eine südafrikanische Leidenschaft, fast schon ein Lebensgefühl. Man darf unter gar keinen Umständen einen Braai ein Barbeque nennen. Das wäre ein Kardinalsfehler. Aber im Endeffekt ist ein Braai auch nicht großartig verschieden von einer Grillparty, nur dass alles viel professionller durchgezogen wird...
Die Sonntagsparty war dann openair auf einer kleinen Wiese auf einem Hügel in Sophiatown (hierbei die Buchempfehlung „Sophiatown“ von Don Marterra, einem Italo-Coloured, der die große Umsiedlung in Sophiatown zu Zeiten der Apartheid persönlich mitbekommen hat). Dort wurde ein Pavel aufgebaut, darunter stand ein höchstmodernes CD-DJ-Set und es die DJs spielten die ganze Zeit laute Housemusic. Südafrika hat immerhin die florierenste House-Music-Szene der Welt und wenn man hier südafrikanische Musik hören möchte, dann kommt man daran nicht vorbei. Ich habe aber auch schon ein paar Kontakte geknüpft zu Personen, die mir die Reggae/Dancehall und HipHop/Kwaito Szene Joburgs zeigen möchten…
Bei dieser Party, die eher wie ein gemütliches Picknick begann, waren wir die einzigen Weißen. Uns wurde gesagt, dass man deutlich merkte, dass wir keine Südafrikaner seien, da weiße Südafrikaner wohl nie zu solchen Partys gehen würden. Aber alle fanden es wunderbar, dass wir da waren und gemeinsam den Sonntag verbrachten. Insgesamt waren nur ca 30 Leute da und alles hatte einen sehr familiären Flair. Nach Einbruch der Dunkelheit wärmten wir uns dann auch alle gemeinsam am Feuer.

Party hard
Übrigens habe ich beim allerersten Versuch Ralfs Rekord in einem Spiel auf der Wii seiner Ehefrau geknackt. Na da war was los und ich musste kurzzeitig zittern, weil ich Angst hatte vor die Tür gesetzt zu werden. Glücklicherweise habe ich mit einem Gastprofil gespielt und wurde somit nicht gespeichert. Nochmal Glück gehabt…Puh

University of Johannesburg


Die University of Johannesburg oder auch UJ, wie sie hier genannt wird, ist die drittgrößte Uni Südafrikas. Auf insgesamt 4 Campusen studieren 47.000Studenten. Der Hauptcampus liegt in Auckland Park, ganze 5 Fußminuten von meiner Unterkunft. Auch die Faculty of Humanity liegt im Hauptcampus und zu dieser gehört auch das German Department.
Die Uni wurde in den 60er Jahren als reine Afrikaans Universität gegründet, quasi als Gegensatz zu Witwatersrand University, welche die zweite, kleinere aber ältere Uni in Joburg ist und als reine Englisch Uni gedacht war.
Irgendwann gegen Ende der Apartheid merkte man dann, dass es sich nicht lohnt eine Uni zu haben in der nur Afrikaans Muttersprachler studieren und man öffnete die Uni auch für andere Sprachen (also Englisch). Heute ist die Uni bilingual, was man auf allen Schildern deutlich erkennen kann.
Besonders schön ist die Uni nicht gerade, aber dafür sehr beeindruckend. Das Hauptgebäude besteht aus einem riesigen 7 Stockwerken hohem Haus aus Sichtbeton. Dabei sind die Etagen etwas schräg angeordnet, sodass man in einem Aufzug auf die 7 drücken muss und im Nächsten auf die 6, um auf dieselbe Etage zu gelangen. Allgemein ist dieses Riesengebäude sehr undurchsichtig am Anfang, weil nirgendwo steht, wo welches Institut liegt. An das Hauptgebäude anschließend sind kleinere Gebäude mit der Bibliothek, den Vorlesungsräumen. Ein großer Park mit Springbrunnen gehört dazu, genauso, wie ein kleines Einkaufszentrum. Dahinter erstrecken sich dann die Wohnheime der Studenten. Ich bin bisher einmal kurz durchgegangen und glaube, dass die Häuser nach Jungen und Mädchen getrennt sind. Dahinter liegen dann die Wohnhäuser einiger wichtiger Universitätsmitarbeiter. Der Rektor wohnt z.B. in einer riesigen pompösen Villa. Das schönste an der Uni ist die hohe Lage, sodass man einen ganz fantastischen Blick über Downtown Joburg hat.


Ein Teil des Hauptgebäudes

Ich habe die Uni am Mittwoch zum ersten Mal betreten. Meine Praktikumsverantwortliche Dr. Anne Baker holte mich vom Eingang ab, damit ich an den schweren Sicherheitskontrollen vorbeikam (ok, ich hab mir sagen lassen, dass man die mit ner guten Geschichte auch passieren kann). Anne Baker ist Mitte 50, Südafrikanerin und die Dozentin für Deutsch an der UJ. Sie führte mich durch das riesige Hauptgebäude, in dem ich das Gefühl hatte, eine winzige Ameise zu sein, in das German Department. Das German Department ist so winzig, dass es im Institut für Griechisch und Latein untergebracht ist. Es besteht aus 2 Büros und momentan aus einer Mitarbeiterin, Anne Baker. Zwar gibt es noch ein Sekretariat, aber dieses befindet sich in einem anderen Institut auf einer anderen Etage und ist gleichzeitig das Sekretariat für Französisch und semitische Sprachen (Arabisch, Hebräisch). Es gibt momentan auch nur einen Deutschkurs an der UJ. Einen Erstsemesterkurs für 8 Studenten, wobei Einer momentan mit einem Schulpraktikum beschäftigt ist und privaten Nachmittagsunterricht bekommen soll, sofern ich diesen denn geben möchte, und ein weiterer Student, der weit über die 50 ist und eigentlich kein Student ist, sondern Sprachforscher, ist momentan für 6 Wochen in Deutschland, um dort einen Sprachkurs zu belegen. Also besteht der Kurs aus 6 Leuten, die dreimal zwei Stunden Unterricht haben in der Woche. Meine Arbeitswoche hat also 6 Stunden Arbeitszeit plus Vor- und Nachbereitung. Die restliche Zeit steht für eigenständige Erforschungen zur freien Verfügung…
Den komplette Mittwoch waren Anne Baker und ich damit beschäftigt, das Sicherheitsoffice zu suchen, damit ich meine Zugangskarte bekomme. Dafür sind wir von A nach B nach C nach B nach D nach B nach D nach B nach E nach … Niemand konnte uns irgendwie sagen, wo sich dieses Büro denn eigentlich befindet und so bekam ich gleich eine wunderbare Führung über den Campus. Schließlich fanden wir ein kleines Büro, wo die Zutrittskarten ausgestellt werden, aber ich musste erst einige Formulare ausfüllen, die es dort nicht im Büro gab, also wieder zurück. Letztendlich habe ich nun aber meine Zugangskarte. Ich war echt froh, dass mich Anne Baker begleitete, ansonsten würde ich jetzt noch über die weiten Gänge der UJ schleichen, halbverdurstet und verhungert.

Seit Donnerstag leite ich für 1,5 Wochen das German Department alleine, weil Anne Baker für eine Konferenz nach Polen geflogen ist. Meine erste Amtshandlung war es, einen ganzen Tag durch die Uni zu suchen, um jemanden zu finden, der mir Internetzugang für mein Büro beschaffen kann. Und es ging von A nach B nach … Immerhin habe ich irgendwann das IT Department gefunden, wo ich einen Antrag stellte und mich als External Contractor ausgab, der momentan für die UJ arbeitet. Ich hoffe nun, dass die mir innerhalb der nächsten drei Tage (Wochen) das Internet freischalten.

Freitags ging dann der Ernst des Lebens los. Mein erster Unterrichtstag. Lektürekurs, behandelt wurde die Kurzgeschichte „2Männer“ von Günther Weisenborn, wer auch immer das sein soll… Von meinen 6 Studenten waren nur 3 anwesend, und diese waren mit der Geschichte stark überfordert. Der Text lag eindeutig weit weit weit über den Leistungsmöglichkeiten eines Erstsemester Deutschkurses und ich frag mich ernsthaft, warum man denn so was behandelt. Ich war also stark damit beschäftigt, mit den Studenten den Text Satz für Satz durchzugehen und zu übersetzen. Damit sie den Zusammenhang verstehen, wandte ich alle Tricks an: Mimik, Gestik, Schauspielerei… Mal sehen, was bis nächste Woche hängengeblieben ist. Ich bot ihn aber an, dass sie mich bei Problemen und bei Nachhilfewünschen kontaktieren können, im Gegenzug verlange ich nicht viel, nur dass sie mir Joburg zeigen, Sehenswürdigkeiten, Kneipen und Clubs…Das kam ganz gut an und so endete mein erster Unterricht. Anders als ich es mir vorgestellt hab, aber ok…

Mein Büroarbeitsplatz