Donnerstag, 12. August 2010

WM Afterhour

Gestern war es nun so weit. Ein Land voller Exstase und Begeisterung. Naja, zumindest ich voller Extase und Begeisterung. Genau einen Monat nach dem WM Finale in der Soccer City gab es das nächste Highlight im afrikanischen Fußball. In einem Freundschaftsspiel trat Bafana Bafana gegen die Black Stars an. Südafrika gegen Ghana im FNB Stadion. Dieses Stadion ist zufälligerweise dasselbe Stadion wie das National Stadion und gleichzeitig auch die Soccer City. Heute wurde entschieden, dass das größte Stadion Südafrikas nach einer der größten Banken Südafrikas benannt wird. Diesen Namen hatte Soccer City auch schon vor der WM, wurde dann aber aus FIFA-rechtlichen Werbegründen für 4 Wochen zur Soccer City.
Naja, jedenfalls sollte es wieder Fußball geben und das war für mich doch die Gelegenheit die knapp verpasste WM ein wenig nachzuholen. Sogar in der Tagesschau wurde, im Zuge des großen Streiks des öffentlichen Dienstes hier am Dienstag, das Spiel erwähnt. Dabei fiel auch der Kommentar, dass 4 Wochen nach der WM alles wieder back to normal ist. Ähm, na klar ist Südafrika vier Wochen, nach dem die Fans und die Presse und vorallem die Fußballspiele der WM weg sind, nicht mehr im Ausnahmezustand. Aber wie back to normal alles wieder ist, durfte ich auch noch erfahren.
Gegen Nachmittag ging es also los. Ich hatte dabei, was man für ein Fußballspiel braucht: drei paar Socken, zwei Pullover, eine Traingsjacke, eine Jacke, eine Decke und natürlich eine Vuvuzela. (bevor jetzt wieder Flitzergerüchte aufkommen, natürlich hat ich auch ne Hose mit.)
Ich holte Ralf von der Arbeit ab und betrat dabei zum ersten Mal den Boden der Konkurrenz Uni. Von dort aus ging es zur Park Station, von wo aus wir einen Zug zum Stadion nehmen wollten, welches in unmittelbarer Nähe des bekanntesten Townships Soweto steht. Doch an der Park Station angekommen ging das Normale los. Wir hatten überhaupt keine Ahnung wo wir hinmussten, welchen Zug wir nehmen sollten und überhaupt. Zur WM war alles voll mit Menschen, alles war detailreich ausgeschildert und überall standen Ordner herum, welche den Weg gewiesen haben. Ohne all diese Details verlor selbst Ralf die Orientierung. Aber das war nicht nur unser Schicksal, und so fand sich eine Menschenmenge ausgestattet mit Vuvuzelas, Fahnen, Trikots und anderen Fanartikeln auf einem Gleis des Bahnhofes zusammen. Gemeinsam umrundeten wir einen Sicherheitsmann und forderten eine Auskunft. Der arme Mann funkte sofort einen Kollegen an, der uns dann mitteilte, dass es keinen Zug zum Stadion mehr gebe, die seien alle schon dort. Wir sollten doch den Bus von der Commissioner Street nehmen. Der Anpfiff rückte immer näher und Wenige wussten, wo denn diese Haltestelle sei. Diese gingen dann aber zielbewusst voran und die unwissende Menge hinterher. Wir marschierten also etwa eine halbe Stunde durch Downtown Jozi. Straßenhändler, die gerade ihre kleinen Läden zusammenpackten, Autofahrer und alle, die sonst noch auf den Straßen unterwegs waren, sahen uns verwirrt hinterher. Und verwirrt waren auch wir. Ich fragte mich teilweise, ob wir denn noch den richtigen Leuten folgen und ob diese denn wirklich wissen, wo sie hinmüssen...Doch schließlich hörten wir das erlösende Summen eines Schwarms Bienen und wir wussten: das ist ein Bus voller Fußballfans. Wir waren gerettet. Mittlerweile war es kurz nach acht und wir hatten die Hoffnung, dass wir nur die ersten 5-10 Minuten des Spiels verpassen würden. Nach einer trötenden Busfahrt sahen wir die leuchtende Schüssel in der südafrikanischen Nacht. Jetzt schnell rein. Aber da ich vier Karten gekauft hab und zwei Personen kurzfristig abgesagt hat, wollt ich die zwei übrigen Karten noch für 50Rand pro Karte (immerhin nur 50% des Originalpreises) verticken. Ich wusste ja, dass das Spiel nicht ausverkauft war und merkte deshalb schnell, dass ich mit den professionellen Karternvertickern nicht mithalten konnte. Diese verkauften die Karten für 2-10Rand (wurden sie aber auch nicht los). Hätt ich das vorher gewusst, hätt ich viel Geld gespart. So liefen die Gespräche wie folgt ab: "Hi, brauchste ne Karte?" "Ne, aber brauchst du eine?". Die Mission war also gescheitert und wir wollten schnell ins Stadion. Das wurde aber auch verhindert, durch einen jungen Fußballfan, der ein Foto mit mir schießen wollte. Und plötzlich kamen von überall her Menschen und wollten ein Foto mit mir schießen. Tja, weiß ja. Aber ich wollte ja auch das Spiel sehen...Wir sind also hineingestürzt, haben den erstbesten Block für gut befunden und hinter dem Tor auf zweiter Ebene Platz genommen. Pünktlich zum Ende der Begrüßung der Spieler durch Südafrikas Präsident Jacob Zuma und dem Beginn der Nationalhymnen, die allerdings auch schon 10Minuten hinter dem Zeitplan hingen. Auch hier war alles wieder normal.

die Teams und der Präsident hören die Hymnen


Jacob Zuma auf der Anzeige

Das Stadion war nur zur Hälfte gefüllt und so blieben die oberen Ränge fast komplett leer. Die meisten Zuschauer waren selbstverständlich im Bafana Bafana Trikot erschienen samt allen erdenkbaren Gegenständen, die ein Fans so haben kann. Besonders gefallen mir ja die Bauarbeiterhelme mit den Kunstwerken oben drauf (geht von Stickern über Windmühlen bis ganzen Welten). Neben den unzähligen Südafrikaflaggen sah man aber auch viele Ghannaflaggen, und auch sonst viele Landesflaggen von Niederlande bis Swaziland. Auch Ralf hatte sowohl Ghana- und Südafrika dabei, frei nach dem Motto: mal kieken, wer besser spielt. Und natürlich hörte man die ganze Zeit die Vuvus. Nach einem kurzen Seitenwechsel nach der Seitenwahl, der uns eigentlich ganz und gar nicht gepasst hat, ging es auch schon los.

Motivationskreis kurz vor Anpfiff


der Rang unter uns

Wir saßen in der ersten Halbzeit also hinter Südafrikas Torhüter Itumeleng Khune und sahen ein teilweise sehr gut kombinierende südafrikanische Mannschaft. Das Spiel fand hauptsächlich in der ghanaischen Hälfte statt, war aber geprägt durch Verletzungspausen. Mehrere Spieler mussten behandelt werden, weil sie angeschossen wurden, der ghanaische Torhüter Richard Kingson sogar mehrfach. Ja, es tut schon weh, wenn ein Ball auf die kalte Haut kracht. Es waren um die 0° Celsius.
In der 42Minute passierte es dann. Unmittelbar neben mir schmiss ein Zuschauer, ohne zu überlegen und ohne Grund, seinen vollen Bierbecher in den unteren Rang. Dies kam dort natürlich gar nicht gut an und alle mockierten. RuckZuck standen FÜNF Polizisten vor dem ca 20-jährigen, weißen Becherwerfer, dem man deutlich ansah, dass er sich fragte: Warum hab ich das eigentlich getan, und zerrten ihn heraus. In dem Moment fingen alle, die nicht von dieser Action gefesselt waren, an zu jubeln: 1:0 für Südafrika durch Katlego Mphela. Toll, ich hab's nicht gesehen, nur die Wiederholungen auf der Anzeigetafel und den Jubel der Spieler.

Freude nach dem 1:0

Nach 5 Minuten Nachspielzeit in der ersten Halbzeit folgte der Halbzeitpfiff. Während sich Ralf auf die Suche nach kaltem Bier (genau richtig bei den Temperaturen) machte, schaute ich mir die Halbzeitshow an. Erst rannte die U17 Frauennationalmannschaft zweimal über den Platz. Dieses Team nimmt bei der WM teil, die am 5.9.2010 in Trinidad and Tobago beginnt. Dann folgte eine Gesangs- und Tanzeinlage einer südafrikanischen Sängerin, deren Namen ich nicht verstand, und ihren Tänzerinnen. Alle sehr unpassend angezogen für die Temperaturen der Nacht, aber so wurde zumindest den Männern wieder etwas wärmer. Und pünktlich zum Wiederanpfiff hatte ich dann ein kaltes Bier in der Hand. In der zweiten Halbzeit beschränkte sich Südafrika dann mehr darauf, die Führung zu verteidigen. Sie waren nur noch selten vor dem Tor hinter welchem wir saßen anzutreffen. Aber auch die schwache ghanaische Mannschaft hat sich nicht sonderlich angestrengt, so dass es kaum noch Torchancen gab und das Spiel etwas lahmer wurde. Dazu die Kälte, eingemurmelt in Sachen und Decke und die dauerhaften Vuvuzelas (die überhaupt gar nicht monoton sind, man kann damit schon Melodien kreieren), das hatte schon fast wieder was beruhigendes. Aber bei südafrikanischen Fußballfans zählt (wie auf Berliner Bolzplätzen) ein schöner Trick, ein toller Tunnel, eine raffinierte Flinte eh viel mehr als ein langweiliges Tor und so wurden diese kleinen Spielereien jedes Mal frenetisch gefeiert. Ab der 80Minute leerte sich das Stadion dann rasant, sodass ich befürchtete, dass zum Abpfiff niemand mehr da ist. Aber wir plus ein paar andere Harte haben bis zum Abpfiff ausgehalten und so konnt ich ihn dann doch noch entdecken: Kevin Prince Boateng. Er stand nicht, wie großartig angekündigt und vermutet auf dem Platz, sondern in mitten der Zuschauer im Rang unter uns...ähm, fast.

Kevin Prince war also doch da...

Für den Rückweg hatten wir dann den Transportgott auf unserer Seite. Wir versuchten einen Zug zur Park Station zu finden, fanden einen, fanden Sitzplätze, und kurze Zeit später stiegen wir um in ein Auto mit Heizung und waren eine halbe Stunde nach Abpfiff zuhause, wo ich mich mit all den Klammotten plus drei dicken Decken ins Bett murmelte...

WM-Unglücksrabe Gyan Asamoah, der gegen Uruguay einen Elfmeter in der 120ten Spielminute an die Latte setzte und Südafrikas Liebling und WM-Held Siphiwe Shabba Tshabalala

Ja, das ist Fußball. Die große Leidenschaft (zumindest seit der WM auch bei den sonst eher Rugby favorisierenden weißen Südafrikanern) der Südafrikaner. Man merkt schon, dass Fußball viel kann, im Sinne von kulturellem Zueinanderbringen. It's more than just a game (schaut euch diesen Doku-Spielfilm über die Fußball-Liga auf Robben Island zu Zeiten der Apartheit. Super!!!)

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