Montag, 27. September 2010

Lauter interessante Dinge ... und Gangsters Paradies

Anscheinend hat niemand auf meine Bitte reagiert und die Zeit etwas verlangsamt. Eher im Gegenteil, sie verfliegt noch ein Wenig schneller. Morgen ist mein letzter Tag in der Uni, meine letzte Stunde mit den Studenten und abschließend eine kleine Farewell Party und die Übergabe meiner Praktikumsbestätigung. Und dann geht es ab Donnerstag in Richtung Indischer Ozean. Zum Glück, denn Joburg solidarisiert sich gerade mit dem kalten und verregneten Europa. Nicht, dass es hier auch regnet. Aber es ist bewölkt und doch recht kühl (22°C). Da verbringe ich die letzten paar Tage doch lieber in der sonnenreichsten Stadt Südafrikas, Durban. Eine Unterkunft ist schon gefunden. Ein Hostel mit Meerblick… Ich hoffe nur, dass Stingy mein alter Freund und Reisebegleiter mich nicht im Stich lässt. Ich werde die 570km nämlich mit dem Auto fahren. Die Strecke entlang der massiven Drakensberge soll sehr imposant sein.

Was passiert sonst noch so in Mzansi?
Einige kleine Dinge habe ich mir über die Wochen aufgeschrieben, aber irgendwie haben sie es nie in den Blog geschafft. Das soll nun nachgeholt werden. Fangen wir an mit…
…dem Verkehr.
Ich habe ja schon mehrfach erwähnt, dass der Verkehr hier kein Zuckerschlecken ist. Das liegt daran, dass man nicht wie in Deutschland mindestens 32 Fahrstunden nehmen muss, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Sondern man kann das Autofahren von irgendjemand erlernen(Freunde, Familie,…) und wenn man sich bereit fühlt, kann man sich zur Prüfung anmelden. Diese soll wohl doch ziemlich kompliziert sein, aber so ein Fahrprüfer verdient ja nicht besonders viel….das soll heißen, für eine kleine Aufbesserung seines monatlichen Gehaltes werden so gut wie alle durch die Prüfung geschleust. Und das Resultat spiegelt sich dann auf den Straßen wieder. Wie hier gefahren wird…meine Güte. Besonders schlimm ist es am Wochenende, denn Wochenende heißt hier automatisch Zeit sich zu Betrinken. Während ich mittlerweile gerade am Wochenende auf jeglichen Kontakt mit alkoholhaltigen Getränken verzichte, um nicht meinen Freunden in die Arme zu fallen, fährt der Rest nach Bier, Vodka und Whiskey. Ich habe beobachtet, dass selbst Krankenwagen und Polizeiautos, die mit Blaulicht unterwegs sind, an den Ampeln anhalten. Man traut hier niemanden im Straßenverkehr.
Übrigens gibt es ja die schöne Ausnahmeregel, dass man nachts über rote Ampeln fahren darf, wenn man sich unsicher fühlt und Angst hat. Natürlich muss man immer kurz stoppen, aber in komplett verwaisten Straßenzügen mit Ampeln, die scheinbar nie auf Grün schalten, ist das eine sehr willkommene Ausnahmeregel…

Kommen wir nun zur Politik..
Wir ihr alle wisst, ist Südafrika seit den Wahlen im April 1994 eine Demokratie. Eine Demokratie mit einer dominierenden Partei, dem African National Congress, gegründet im Jahre 1912. Seit 16Jahren regiert diese Partei und hat seitdem drei Präsidenten hervorgebracht: den jetzigen Amtsinhaber Jacob Zuma, Thabo Mbeki und natürlich Nelson Mandela. Aber seitdem Machtkampf um die Parteiführung vor 2 Jahren zwischen Zuma und Mbeki schwächelt der ANC. Die Übernahme der Parteiführung bedeutet, dass man mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nächster südafrikanischer Präsident wird. Damals spalteten sich sogar einige hochrangige Politiker (Mbeki-Getreue) vom ANC ab und gründeten eine eigene Partei den Congress of People (COPE). Das war nur der Anfang. Die ANC wird eng unterstützt durch die Kommunistische Partei Südafrikas und den größten Gewerkschaftsbund COSATU. Doch nach dem riesigen Streik vor ein paar Wochen möchte die COASTU nicht immer nur Ja und Danke zu allem sagen, sondern erhebt Forderungen.
Dann gibt es da noch die ANC Youth League, 1944 u.a. von Mandela gegründet, weil die jungen Nachwuchspolitiker nicht mit allen politischen Zielen der Älteren übereinstimmten. Die ANC YL hat also eine große Tradition. Der jetzige Präsident Julius Malema ist ein ziemlicher Spaßvogel. Er ist Ende 20, sieht aus wie Ende 30 und möchte eines Tages südafrikanischer Präsident werden. Er schafft es sich in einem einzigen Satz mehrmals selbst zu widersprechen. Zum Beispiel hat er vor Kurzem eine brennende Rede gehalten, dass Führungspersonen des Landes doch bitte nur eine Frau haben sollten. Im nächsten Satz meinte er dann, dass er damit natürlich nicht den Präsidenten meint… Jacob Zuma hat nämlich drei Ehefrauen und eine Verlobte, die er wohl im Dezember heiraten wird.

Nach dem Ende der Apartheid führte Mandela ja eine Politik der Versöhnung, aber um die schwarze Mehrheit am Reichtum des Landes teilhaben zulassen, wurde die Black Economic Empowerment Initiative eingeführt. Dies ist eine Art Punktesystem, um schwarze Führungskräfte in der Wirtschaft des Landes zu stärken. Aber selbst heute liegt 80% des Reichtums in weißen Händen und gerade die ANC YL überlegt, wie man das ändern könnte. Vor ein paar Wochen war die ZANU-PF Youth League (aus Zimbabwe) zugegen und hielten flammende Reden. Sie erklärten der ANC YL, dass sie doch so verfahren sollten wie es Mugabe in Zimbabwe getan hat. Weiße Farmer und Firmen enteignen. Es ging dann zwar ein paar Jährchen bergab mit Zimbabwe, aber alle können doch sehen, wie gut es ihnen heute geht (in einem Land ohne eigene Währung…). Sie führten dies natürlich nicht auf die gemeinsame Regierung von ZANU PF und MDC (und die damit verbundene Aufhebung einiger Sanktionen) oder den Beginn des Diamantenexportes zurück…Viele Delegierte der ANC YL feierten sie dafür frenetisch, aber hey sein wir doch mal ehrlich…Zimbabwe in den letzten 10Jahren als Vorbild zu nehmen…

Soweit erst einmal zu ein paar allgemeinen Dingen, nun noch etwas persönliches.
Nachdem ich gedacht habe, die einzigen Verbrecher hier wären Polizisten und schon gedacht hab, mir würde hier nie was passieren, hat die Gauteng Province (GP) ihrem Spitznamen Gangsters Paradies doch allen Ehren gemacht. Am Samstag wurde ich dann am helllichten Tage auf einer sehr belebten Straße überfallen und niemand hat etwas unternommen, um mir beizustehen. Mittlerweile habe ich den Überfall gut verarbeitet und kann sogar drüber lachen. Ich habe auch keine Angst nun auf die Straße zu gehen, das wäre ja Unsinn. So ein Überfall kann überall passieren und im Endeffekt ist mir nichts passiert und ich hatte nur materielle Verluste. Das ist zwar äußerst ärgerlich, aber auch nicht das Ende der Welt. Nun aber mal zur Story:
Ich bin in Begleitung durch die Innenstadt Downtowns gezogen, es war etwa 15Uhr und die Straßen voll. Ich hatte ziemlich viel Geld mit, weil ich shoppen wollte (450Rand = ca 50€). Ich gebe zu, dass ich an dem Tage etwas müde war und etwas hinterher trottete. Ich bin diese Straße schon zigmal vorher entlang gegangen, ohne dass mir je was passiert ist. Die Bürgersteige dort sind sehr schmal am Rand von kleinen Ständen gesäumt, wo Kleidung verkauft wird. Man wird dort auch alle 5Meter angesprochen, dass man doch dies oder das kaufen soll. An einer Stelle war der Bürgersteig etwas breiter und die Stände am Rand geschlossen. Die Fluchtmöglichkeiten waren also ideal. Dort stand also auf einmal ein Kerl mit einem Messer vor mir und meinte irgendetwas zu mir. Ich dachte, er wolle mir das Messer (ein Butterfly mit ziemlich großer Klinge) verkaufen und lehnte höflich ab. Dies irritierte ihn etwas und er wiederholte sich. Plötzlich schrien einige Leute um mich herum und ich hatte das Gefühl, dass um mich ein Kreis gebildet wurde und die Menschen immer weiter zurückrückten. In dem Moment spürte ich auch schon Leute von hinten, die versuchten in meine Taschen zu fassen. Reflexartig krümmte ich mich zusammen und warf mich auf den Boden. Die Kerle versuchten mich wieder hochzuzerren. Irgendjemand schrie, gib ihnen einfach dein Geld. In dem Moment wurde mir erst richtig klar, was passierte und dass ich nicht gerade nach dem Lehrbuch handelte. Was ist, wenn der Kerl mit dem Messer die Geduld verliert und zusticht. Aber er schien etwas irritiert zu sein. Schließlich stand ich wieder. Die Kerle befahlen mir, meine Augen zu schließen, was ich dann auch tat. Ich spürte, wie sie meine Taschen leerten. Einer meinte zu mir, hier nimm deinen Reisepass (den ich dabei hatte). Ich bedankte mich höflich dafür, dass er mir den pass wiedergab. (wenn ich mir das jetzt durch den Kopf gehen lasse und es nicht so verlustreich wäre, dann könnte ich mich nun über mich selbst beeiern.). Nach ca 20-30Sekunden war alles vorbei, ich öffnete die Augen und sah 5 Kerle wegrennen. Ich stand allein auf weiter Flur und auf dem Boden lagen meine Schlüssel. Zum Glück. Alles was die Tsotsi mitnahmen waren mein Geld, meine Kamera, zwei Sonnenbrillen und mein Handy (mit all meinen Nummern…). In sicherer Entfernung standen die Schaulustigen, die nun langsam wieder näher kamen. Sie erkundigten sich, ob es mir den gut geht. Ich packte nur meine Sachen ein und verschwand. Ich war etwas enttäuscht, dass da soviel Männer rumstanden und niemand geholfen hat. 200 Meter stand die Polizei. Sie meinten nur, dass sie wohl nichts machen können. Ich könne aber zum Präsidium und eine Anklage erheben. Aber nach meiner bisherigen Einschätzung der Polizei wäre das nur weiterer unnötiger Stress… Während des ganzen Überfalls war ich erstaunlich ruhig, ich hatte auch kein Gefühl von Panik oder Angst. Das kam erst kurz nach dem Überfall und dann kam eine ziemliche Leere. Ich versuchte mich daran zu erinnern, wie die Räuber aussahen. Aber ich konnte mich nicht erinnern, ich wusste auch nicht, wo die auf einmal herkamen. Später spielte ich im Kopf immer wieder den Überfall durch und überlegte, was ich hätte anders machen können. Aber da war wohl kaum etwas anders zu machen.
Am gleichen Abend bekam ich dann aber noch einen Friseurbesuch geschenkt im Wert von 350Rand. 5Stunden saß ich auf dem Friseursessel und ließ mir die Dreadansätze richten. Da ging es mir dann schon wieder viel besser…Naja, und im Endeffekt ist mir überhaupt nichts passiert, außer der materielle Verlust und der Verlust des Gefühls, mir passiert so was nicht…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen