Montag, 20. September 2010

Lauter schöne Dinge....und Polizei

Kann mir bitte jemand einen Gefallen tun und die Zeit anhalten. Zumindest zurückstellen auf normales Tempo wäre schon äußerst wünschenswert. Aber das die Tage vergehen wie Stunden, das gefällt doch wirklich niemandem. Ja, meine Zeit ist schon beinahe wieder vorbei. Nur noch 16Tage bleiben mir und dabei bin ich doch gestern erst angekommen...und schwupps, nächste Woche Mittwoch gibt es schon die Abschiedsparty in der Uni...

Mittlerweile bin ich auch eine lokale Berühmtheit. Vor zwei Wochen saß ich nichts ahnend in der Sonne auf dem Campus. Ich genoss die Wärme, mich und das Leben an sich. Und plötzlich wurde ich angesprochen. Ich sollte ein Interview für die Afrikaans Uni-Zeitung. Thema: Stylingtipps für den Frühling. Na da bin ich ja der perfekte Ansprechpartner. Also immerhin habe ich dieses Jahr schon einen Frühling erlebt. Ich quatschte also munter drauf los und die junge Nachwuchsjournalisten schrieb und schrieb. Anschließend noch ein paar Fotos. Mittwoch war es dann soweit. Zwischen vier afrikanischen Schönheiten lächelt ein junges, leicht posendes Rastatier dem geneigten Leser entgegen. Da ich mittlerweile schon wieder vergessen hatte, was ich für wunderbares Zeug von mir gegeben habe und mir Afrikaans doch ziemlich unverständlich erscheint, musste ich es mir übersetzen lassen. Aber anscheind war es ganz gut, denn am Samstag wurde ich angerufen, ob ich ein weiteres Interview geben könne. In der nächsten Ausgabe strahlt dieses Rastatier also schon wieder leicht posend in die Kamera...

Wenn nur noch so wenig Zeit verbleibt, dann muss ich sie natürlich intensiv nutzen. Die Ränder unter meinen Augen werden also immer dunkler. Das liegt natürlich an der Sonnenbräune und zum anderen an weniger Schlaf als in den vorangegangenen Wochen. Ich habe sogar schon aufgehört, meine unterrichtsfreie Zeit im schattigen Büro zu verplempern. Viel lieber fahre ich durch die Stadt des Goldes von Aktion zu Aktion, immer auf der Suche nach meinem Goldbarren in der Form eines neuen Abenteuers. Die Abenteuer reichen von Kickern in modernsten Spielhöllen (ich habe bisher alle meine Spiele (3) gewonnen...) bis zu Schlittschuhlaufen.
Häääää, mag sich jetzt vielleicht der Eine oder Andere denken. Da hängt der Junge im südafrikanischen Frühling herum, bei Temperaturen bis zu 30Grad und geht dann Schlittschuhlaufen. Jip, und ich gebe sogar zu, dass es mir Spaß gemacht hat, obwohl ich es eigentlich ja nicht so mag und obwohl ich das letzte Mal vor gefühlten 20Jahren auf dem Eis stand habe ich mich gar nicht so schlecht angestellt. Soll heißen, dass ich kein einziges Mal gestürzt bin. Nein, ich habe mich nicht die gesamte Zeit an die Bande gekrallt...

Am gestrigen Sonntag hatte ich das ganz große Glück, Zeuge eines hochkulturellen Spektakels zu werden. Eigentlich war ich nur nach Soweto eingeladen, um dort auf eine private Party zu gehen. Private Party bedeutet dabei, dass aus irgendeinem Auto Musik gespielt wird (natürlich House) und sich alle darum versammeln, quatschen und tanzen. Aber am frühen Nachmittag wurde ich in den Hof eines dieser typischen Häuser Sowetos eingeladen. Dort hat sich die Nachbarschaft versammelt, getrommelt und gesungen. Es waren nämlich traditionelle Heiler zugegen, die den Kontakt zu den Ahnen herstellten. In diesem überwiegend christilchen Land wurde ich also Zeuge, inwiefern die Ahnenverehrung den Menschen erhalten geblieben ist. Es waren zwei männliche Medizinmänner dort, die umunthi herstellten, traditionelle Medizin. Und es waren zwei weibliche Schamanen anwesend. Diese tanzten sich zum treibenden Klang der Trommeln in Ekstase. Dann knieten sie vor der Person mit dessen Ahnen sie gerade in Verbindung standen und die Ahnen konnten durch die Heilerin zu den Menschen sprechen. Die Ahnen gaben Hinweise, Ratschläge und Verbote. So ging es dann über mehrere Stunden. Ich hatte glücklicherweise einen ganzen Haufen Simultanübersetzer an meiner Seite, sodass ich beinahe alles mitbekommen habe. Diese haben mir dann auch immer wieder versichert, dass ich doch keine Angst haben muss, aber wahrscheinlich nur, um sich ihre eigene Angst von der Seele zu reden...Für mich war das alles ein kulturelles Spektakel. Aber es war nicht extra für mich organisiert, wie die Gule Wamkulu Tänze (die Tänze der Geister) in Malawi, sondern ich bin nur zufällig dabei gewesen. So konnte ich mit eigenen Augen sehen, wie stark die Ahnenverehrung im Leben integriert ist. Und die Heilerinnen haben sich wirklich ins Zeug gelegt. Ich beobachtete, wie eine der Beiden sich hinterher vollkommen entkräftet zur Außentoilette schleppte auf dieser anscheinend zusammenbrach. Ich hörte nur noch Brech-Geräusche...
Ich wurde hier auch Zeuge der südafrikanischen Gastfreundschaft, denn obwohl ich einfach so mit hineingeplatzt bin in das Spektakel, wurde immer darauf geachtet, dass ich bequem sitze und alles gut sehe. Außerdem bekam ich leckeres Essen und mein Glas war niemals leer. Später wurde mir auch mitgeteilt, dass sich der älteste Medizinmann über meine Anwesenheit geäußert hat. Er begrüßte es, dass ich mich für die Zeremonie interessierte und dass ich ja eh durch meine Haare Verbundenheit mit ihrer Kultur zeige...schön...Traditional Shamanen luv mi hairstyle.
Der restliche Abend bestand dann auch aus einer dieser typischen Soweto-Partys. Ich habe es genossen, auch wenn ich selbstverständlich des öfteren außen vor war, denn meine Zulukenntnisse sind nun mal beschränkt und ich konnte den meisten Gesprächen nicht folgen. Es wurde zwar immerwieder ermahnt, bitte nur noch Englisch zu reden, damit ich nicht ausgeschlossen werde, aber früher oder später fällt doch jeder wieder in die Muttersprache zurück. Trotzdem war es nett und ich habe Komplimente bekommen, die deutlich gezeigt haben, dass die Apartheid noch nicht allzu lange zurückliegt, wie: "Ich hätte nie gedacht, dass Weiße so cool sein können!"...

Aber dann sind da noch die Schattenseiten... Ich habe es schon einmal erwähnt und ich erwähne es nochmal. In dieser Stadt, die vermeintlich kriminellste Stadt der Welt, sind die einzigen Verbrecher, die ich bisher gesehen und erlebt habe, Polizisten. Korruption blüht in Südafrika und ich erfahre es am eigenem Leibe.
Es ist so, dass man in Gegenden, wo man durch die Hautfarbe auffällt schonmal verdächtig ist. Die Frisur tut ihr Übriges. Ich bin ein scheinbar lukratives Opfer für die Hüter des Gesetzes, die ihr Kleingeld für's Feierabendbier noch nicht zusammen haben. An diesem Wochenende erwischte es mich zweimal. Samstags wollte ich nachts um 2Uhr aus einem Club nach Hause fahren und schwupps wurde ich herausgewunken und durchsucht wie ein Schwerverbrecher, breitbeinig vor dem Auto stehend, Hände aufs Dach und Kopf nach unten. Der Polizist hat alle meine Taschen geleert. In einer dieser Taschen war meine Speicherkarte der Digi-Cam. Entweder sie ist dabei heruntergefallen oder er hat sie behalten, jedenfalls stellte ich später fest, dass ich sie nicht mehr habe. Deshalb gibt es diesmal auch keine Fotos... Das Auto wurde auch komplett gefilzt. Wenn die Polizisten bei ihrer Suche nichts finden, wird aus ihrer anfänglichen Schadenfreude (Ha, den ziehn wa jetzt ab) schnell Frustration und ich wurde mit tausend Geschichten eingeschüchtert, warum ich denn die nacht im Gefängnis verbringen werde. Ich hatte an diesem Abend Bier getrunken. Ich denke, dass ich unter der 0,5 Promille lag, aber ich wusste es leider nicht zu 100% und ich wollte kein Risiko eingehen...
Am Sonntag auf dem Rückweg aus Soweto dann das gleiche Spielchen. Ein Polizeiwagen hielt mich an. Erst wurde ich wie ein Schwerverbrecher durchsucht, dann mein Wagen. Dann erzählte mir der Polizist, dass ich verdächtig bin und mit zum Revier kommen solle für einen Bluttest. Ihr wollt spielen, dacht ich mir, lasst uns Spielen, denn mittlerweile habe auch ich genug Muskeln, um dieses Armdrücken zu gewinnen. Ich folgte dem Herrn Polizisten und der Frau Polizistin also zum Hillbrower Polizeirevier. Dort sollte ich dann in den Polizeiwagen steigen, mit denen sie mich zur Blutabnahme fahren wollten. Ihr Nummernschild war mittlerweile selbtverständlich notiert. Ich stieg ein und bis zu diesem Moment habe ich wirklich noch etwas naiv gegalubt, dass die mein Blut testen wollten. Aber als wir dann im Schritttempo um den Block fuhren, wusste ich, dass es keinen Bluttest geben wird. Es folgte wieder das schon bekannte Psychospielchen. Mir wurden tausend Gründe genannt, warum sie mich einsperren. Ich konterte alle. Dann folgte meine Lieblingsfrage: "What should we do now?"...Keine Ahnung was wir jetzt machen. Ihr habt mich doch angehalten, da müsst ihr dass doch wissen. Ich kenn mich ja hier nicht aus in Südafrika...Und dann hörte ich es: "You are here in South Africa. You are supposed to give us something." BANG BOOM BULLET. Ach hätte ich doch nur n Diktiergerät dabei gehabt. Ich konnte nur antworten, dass ich nichts habe, was ich ihnen geben könnte und sie mich doch bitte zum Bluttest fahren sollen. Ich werde in der Zwischenzeit mal in der Botschaft anrufen...Zack, stand ich wieder neben meinem Auto und die beiden angepissten Ordnungshüter fuhren schnell davon...Das tat gut. Denn es kann doch nicht sein, dass ich jedesmal Panikattacken bekomme wenn ich irgendwo Polizeiwagen sehe...die sollen mich doch beschützen. Cops nah luv mi hairstyle...
Wenn ich das dann mit einem meiner Lieblingsclubs in Yeoville, was ja nun auch nicht grade ein Luxusbezirk ist, vergleiche: Dort stehen riesige Bullies als Sicherheitskräfte an der Tür und durchsuchen jeden nach Waffen. Ich werde mittlerweile nicht mehr durchsucht, sondern freundlich umarmt und ab dafür....

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